Das Projekt „Hängebrücke“ will Kindern aus suchtbelasteten Familien helfen
Wenn Eltern trinken . . .

Wenn Kinder Eltern haben, die Alkoholiker sind, prägt sie das oft ihr ganzes Leben. Das ­Projekt „Hängebrücke“, das von der Teckboten-Weihnachts­aktion unterstützt wird, will diesen Kindern helfen.

Wenn Eltern trinken . . .
Wenn Eltern trinken . . .

Kirchheim. „Alkohol zerstört den, der trinkt und die, die mit dem Trinker leben.“ Vor allem Kinder werden durch körperliche und seelische Verletzungen oft ihr Leben lang geprägt. Anhand dreier Fallbeispiele schildert der Film „Flaschenkinder – wenn Eltern trinken“ diese Auswirkungen. Der Film, im Auftrag des ZDF in der Reportage-Reihe „37 Grad“ erstellt, wurde von der Initiative „Hängebrücke“ gezeigt. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, ein Gruppenangebot für Kinder aus suchtbelasteten Familien aufzubauen. Unterstützt wird diese Idee von der Weihnachtsaktion des Teck

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boten.

Das Projekt „Hängebrücke“, vom Pädagoginnentreff aus der Taufe gehoben, wird engagiert vertreten durch den Kinderschutzbund, die Suchtvorbeugungsstelle des Landkreises und das Kirchheimer Frauenhaus, drei Einrichtungen, die im Rahmen ihrer Arbeit mit Suchtthemen konfrontiert sind. Zielführend für das Projekt ist es, Kinder aus Suchtfamilien im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren zu unterstützen, um ihnen eine

möglichst sorgenfreie Kindheit zu ermöglichen und letztendlich Perspektiven für ein späteres Leben ohne Sucht zu eröffnen.

Ursula Lambru, Lehrerin und Buchautorin, berichtete über ihre Kindheit mit dem alkoholkranken Vater und die massiven Auswirkungen auf ihre Persönlichkeit. Offen und schonungslos erzählen im Film auch Familie Schulze aus Berlin von der Zeit ihrer Trunksucht und deren Folgen. Das Ehepaar Schulze, seit Jahrzehnten alkoholabhängig, ist nach einer Therapie seit vier Jahren trocken. Ihre beiden Kinder, Jens (13) und Jeanette (11), haben ihre Eltern in den ersten acht Lebensjahren nur betrunken erlebt.

Im Rausch schlägt Frau Schulze Jeanette. Die Mutter lässt willkürlich und unberechenbar ihre Wut auf sich, auf ihre Trinkerei und auf die Eheprobleme an dem Kind aus. Von Beginn an wurden die Kinder vernachlässigt und zogen aus ihrem Erleben den Schluss, sie seien es wohl nicht wert, dass sich ihre Eltern um sie kümmerten. Versuchten die Kinder sich zur Wehr zu setzen, spitzte sich die Situation noch mehr zu. Der Vater kam der Mutter schlagend zuhilfe. Anschließend verließ er die Wohnung, um sich wieder maßlos zu betrinken, um das eben Geschehene zu vergessen. Aus Sicht der Kinder allerdings – so berichtet der 13-jährige Jens plötzlich stotternd – ging der Vater, weil er wohl so wütend auf sie gewesen sei.

Das Leben dieser Kinder ist durch den Alkoholismus der Eltern nachhaltig beeinträchtigt. Durch die Sucht erleben sie Enttäuschungen, Gewalt, Desinteresse, Unberechenbarkeit und ständige Enttäuschun­gen bis hin zu Lügen, wie Prisca, die Tochter der Familie Kleiner aus dem Allgäu. Es verletzte sie zutiefst, dass ihr alkoholkranker Vater sie zum x‑ten mal „belog“, er würde mit dem Trinken aufhören.

70 Prozent aller Kinder von Süchtigen sind in ihrem späteren Leben selbst abhängig von Alkohol oder anderen Drogen. Die Probleme der Kinder von alkoholkranken Menschen sind längst nicht gelöst, wenn der Süchtige mit dem Trinken aufhört. Sie sind auch nicht behoben, wenn die Kinder erwachsen geworden sind. Viele merken erst, wenn sie älter geworden sind, dass mit ihrer Persönlichkeit etwas nicht stimmt und dies wohl im Zusammenhang mit ihrer Kindheit in einer Alkoholikerfamilie steht.

Ein Tabu war die Alkoholkrankheit beim anwesenden Herrn K., der seinen wahren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nach außen hin wurde alles vertuscht, „ich war ein heimlicher Trinker, bis es nichts mehr zu verheimlichen gab“. Herr K., seit sechs Jahren trockener Alkoholiker und Vater zweier erwachsener Töchter berichtete von seinem Alkoholexzess während einer Urlaubsreise mit Frau und Enkelkind. Sein Enkelsohn erlebte seinen Absturz mit, „Oma, der Opa ist so besoffen, aber er ist doch Polizist“. Dieses Schlüsselerlebnis führte Herrn K. zur Therapie.

Nach aktuellen Informationen des Bundesgesundheitsministeriums konsumieren derzeit 9,5 Millionen Menschen in Deutschland in riskanter Form Alkohol. 1,3 Millionen gelten als alkoholabhängig. Alkoholismus ist heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen immer noch ein Tabuthema. Das Gesundheitsminis­terium sagt dazu: „In der Gesellschaft herrscht eine weit verbreitete unkritische positive Einstellung zum Alkohol vor. “