Lokales
Wer will schon gern „der Dackel“ sein?

Es ging nicht mehr ums Geld und schon gar nicht mehr um eine Grundsatzentscheidung: Auf der Tagesordnung stand lediglich die „zweite erneute öffentliche 


Irene Strifler

Auslegung“ des Bebauungsplans Notzinger Straße. – Eine verwaltungstechnische Mücke, die in närrischen Zeiten zum lokalpolitischen Elefanten wird.

Der Stand der Dinge: Die Notzin­ger Straße wird saniert, für die Anwohner bedeutet dies Erschließungsbeiträge. Als Radverbindung wird das Sträßlein künftig sicherer, Hindernisse vermiesen Autofahrern den Schleichweg, Parken ist nur noch auf einer Seite möglich.

Was die Anlieger lautstark kritisieren, ist die geplante Freilegung der Weppach entlang besagter Stra­ße. Alte Kirchheimer können sich an Zeiten erinnern, als die Weppach noch ein ordentlicher Bach war. Heute sprudelt oft wenig bis nichts im teilweise verdolten Bachbett. – Ein Bach ist das nicht wirklich, ein Biotop aber sehr wohl. Entsprechend dem Öko-Zeitgeist segnete der Technische Ausschuss (TA) vor fast zwei Jahren das Gesamtpaket ab: Straßenausbau samt Weppach-Öffnung. Letzteres kostet die Stadt – nicht die Anlieger – knapp 90 000 Euro, zur Hälfte über Fördergelder abgedeckt. Dagegen war nur Albert Kahle (KiBü/FDP).

Die Kehrtwende folgte ein halbes Jahr später. Zwischenzeitlich hatten die Anwohner ihrem Wunsch Gehör verschafft, von der Weppachöffnung abzusehen. Statt „Ökodiktatur“ siegte nun Bürgerwille, denn eine „Zwangsbeglückung“ der Anwohner schien kaum sinnvoll: Mehrheitlich beschloss das Gremium zwar den Straßenbau, wollte aber die Weppach nun doch unangetastet lassen.

Doch das eine tun und das andere lassen, das geht nicht immer: Das Veto der Wasserwirtschaft folgte prompt. Stadtplaner Pohl verweist auf das Wassergesetz Baden-Württemberg und das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes. Demzufolge ist die Stadt verpflichtet, bei allen Maßnahmen an Gewässern zu deren ökologischer Aufwertung beizutragen. Es sei denn, wesentliche private oder öffentliche Belange sprächen dagegen. Das sei aber nicht der Fall, weswegen es praktisch keinen Ermessensspielraum gebe. Der Bürgerwille war somit ebenso Makulatur wie die aktuelle gemeinderätliche Entscheidung. Emotionen hin oder her: Die Weppach muss ans Licht. Jetzt kamen die Planer zum Zug. Ihr Bebauungsplan stand nun zur zweiten Auslegung an.

Eigentlich eine Formalität. Von wegen! Albert Kahle, bekannt als „Hafenkäs-Rebell“ und in der jüngsten TA-Sitzung unterstützt durch Beifallsbekundungen aus dem Pub­likum, ließ sich durch die Rechtslage nicht beirren. Er insistierte auf den Anliegerwunsch. „Wir können uns nicht gegen Recht und Gesetz durchsetzen“, demonstrierte Bürgermeister Günter Riemer Gelassenheit, bemüht, den Ball flach zu halten. SPD-Fraktionschef Walter Aeugle ging jedoch die Hutschnur hoch, als die alten Argumente erneut herangezogen wurden. Gekränkt wies er Vorwürfe seitens der Anwohner weit von sich, der Gemeinderat würde nach Gutsherrenart entscheiden, und verwahrte sich dagegen, „dass alle, die nicht der Meinung von Albert Kahle sind, die Dackel sind.“ – Auch hier gab‘s Beifall, diesmal aus dem Ratsrund.

Das folgende Abstimmungsergeb­nis orientierte sich wohl korrekterweise am Gesetz, sicher auch am Öko-Geist, aber eben nicht am Anwohnerwunsch: Mit neun Gegenstimmen, vier Pro-Stimmen und drei Enthaltungen wurde Albert Kahles Antrag abgelehnt, auf die Weppach-Freilegung zu verzichten. Der eher trotzige Folge-Antrag, dann wenigstens ein Pumpwerk zu bauen, das der Weppach zuverlässig Wasser beschere, fand nur noch die Zustimmung des Antragstellers.

Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack, im Rat, aber auch in der Notzinger Straße: Dort hängen noch Transparente gegen die Weppach-Freilegung, denn auch der eine oder andere Anwohner wähnt sich offenkundig als „Dackel“. Im Ratsrund fühlt sich manch einer regelrecht vorgeführt. Schließlich haben sich‘s die ehrenamtlichen Politiker nicht leicht gemacht, im Bestreben, eine gerechte und doch rechtmäßige Entscheidung herbeizuführen. Recht und Gesetz gelten nun mal auch dann, wenn‘s einem persönlich missfällt, lautet ein mehrfach ge­äußerter Vorwurf an die Adresse des rebellischen Kollegen.