Infoartikel
Wichtig für die Republik

Eine neue politische Streitkultur hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach dem Mordanschlag an der Synagoge von Halle für dringlich erachtet. Er sagt auch, wie sie aussehen soll: Dass man in ehrlicher und vornehmer Weise miteinander kämpft. So wie es Konrad Adenauer bei der Fertigstellung des Grundgesetzes formulierte.

Dies geschieht in der Evangelischen Akademie Bad Boll seit 75 Jahren, und ihre Arbeit ist heute so wichtig wie damals. Bei der Geburtsstunde der Akademie lag das Grauen des Nazi-Regimes kein halbes Jahr zurück, und heute sind es wieder Morde, Hass und Hetze, die den freiheitlichen Rechtsstaat erschüttern. Es geht darum, ehrlich und vornehm zu streiten - oder wie es Akademiedirektor Professor Jörg Hübner sagt: „die Begegnung, der Dialog, der achtsame Diskurs, schon Streit, aber respektvoll, auf Augenhöhe.“

Die Evangelische Akademie Bad Boll ist eine Institution der Kirche, aber auch eine für die Republik. Sie hat die Demokratie in ihren Auseinandersetzungen begleitet und mitgeprägt, sie hat aufs Tapet gebracht, was die Bürger umtrieb, wovor sie sich fürchteten, was sie von der Politik forderten. Von der Wiederbewaffnung bis zur Globalisierung, von der Studentenrevolte bis zum Klimawandel. Mitsprache ist ihr Programm. Sie will an der Ausgestaltung der demokratischen Gesellschaft mitwirken. Jeder ist zu den Tagungen eingeladen. So wie der Bundespräsident das Wort an die Bürger richtete: „Sie alle haben ein Stück Deutschland in Ihrer Hand.“ Und: „Derzeit braucht die Demokratie vor allem uns.“

Man darf sich freuen, dass die Region einen solchen Anker der freiheitlichen Gesellschaft hat. In Bad Boll sitzt sogar die Mutter aller kirchlichen Akademien, nach ihrem Vorbild wurden viele weitere gegründet. Es schmückt auch Bad Boll, wenn Prominenz kommt: Altkanzler Schröder war mehrmals hier, mit ihm und vor ihm Politiker aus den Zeiten seit 1949. Ein besonderer Freund der Akademie war Erhard Eppler über mehr als 50 Jahre hinweg. Zum Jubiläum kommen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landesbischof Frank Otfried July. Das ist Anerkennung für eine Institution, die die Demokratie braucht, weil Streit immer ist und in einer offenen Gesellschaft ausgetragen werden kann. Das macht sie stark.