Zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung für einstigen Bankberater
Wilde Jonglage mit fremdem Geld

Ein ehemaliger Kundenberater der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen ist gestern vor dem Kirchheimer Amtsgericht wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Der Schaden, den er bei der Bank verursacht hatte, beläuft sich auf rund 170 000 Euro.

Kirchheim. Sein gesamtes Berufsleben hatte der 39-jährige Angeklagte bei der Kreissparkasse im Raum Kirchheim verbracht – bis im Herbst 2010 sein Schneeballsystem aufflog. Es folgte die fristlose Entlassung. Seither ist er arbeitslos, abgesehen von einer befristeten Tätigkeit als Vertriebsassistent in einem Call Center in Nürnberg. Dort war er aber wegen einer bipolaren Störung immer wieder über einen längeren Zeitraum hinweg krankgeschrieben.

Das Streben, auf der Karriereleiter weiter nach oben zu kommen, war wohl der Grund für seine Machenschaften. Mit insgesamt 1,5 Millionen Euro an Kundengeldern hat er über fünf Jahre hinweg jongliert – von Dezember 2005 bis August 2010 –, um zu vertuschen, dass er einer Kundin ein Darlehen genehmigt hatte, das diese aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr bedienen konnte.

Ursprünglich war es um eine Summe von 100 000 Mark gegangen, rund 51 000 Euro also. Diese Summe hatte die Kundin aus einer Scheidung erhalten, wie der Angeklagte gestern berichtete. Sie wollte das Geld einerseits anlegen, andererseits aber auch nutzen, um ihre hohen Konsumbedürfnisse zu befriedigen. Deshalb habe sie einen Kredit über dieselbe Summe aufgenommen, der über ihr Gehalt zurückgezahlt werden sollte sowie über die Gewinne der Geldanlage.

Bei der Geldanlage handelte es sich um ein Aktiendepot, das lange Zeit erhebliche Gewinne abwarf. Als aber der Aktienmarkt 2001 zusammenbrach und plötzlich keine Auszahlungen mehr möglich waren, begann das Desaster. Der Bankberater sorgte dafür, dass ein Sparguthaben, auf dem ein Teil der 100 000 Mark als Kreditsicherheit angelegt war, zur Auszahlung freigegeben wurde. Die Kundin, die irgendwann auch noch arbeitslos wurde, hatte also weiterhin Geld zur Verfügung, nur der Bank ging die Sicherheit verloren.

Der Angeklagte befand sich in der Klemme, weil er die Schwierigkeiten mit diesem Kredit vor seinem Arbeitgeber verheimlichen musste. Er fürchtete, dass sonst sein Karriereflug beendet sein könnte. So sorgte er dafür, dass der Kredit der Kundin weiterhin bedient wurde – mit Zins- und Tilgungszahlungen. Dafür verwendete er unter anderem eigenes Geld. Allerdings hat er auch Sparkonten von Bankkunden belastet. Die jährlichen Zinszahlungen auf diesen Sparkonten hat er regelmäßig gutgeschrieben, sodass die Kunden nichts merken konnten und dass ihnen auch kein Schaden entstanden ist.

Den Schaden trug letztlich die Bank davon, denn Zinszahlungen und -belastungen beliefen sich schließlich auf die rund 170 000 Euro, die der Angeklagte nun zur Hälfte zurückzahlen muss. So sieht es ein Vergleich zwischen ihm und seinem einstigen Arbeitgeber vor. Bei Monatsraten von 100 bis 150 Euro dürfte das aber noch ziemlich lange dauern.

Was hat den Kundenberater dazu veranlasst, sich überhaupt auf dieses wahnwitzige System einzulassen, mit dem er teilweise auch den eigenen Lebensunterhalt bestritt? Nach eigener Aussage vertraute er darauf, dass sich der Aktienmarkt wieder erholt. Die Gewinne aus dem Depot der Kundin sollten wieder so sprudeln, dass irgendwann alles auf Null hätte gestellt werden können. Außerdem hoffte er, dass die Kundin wieder Arbeit findet und dann auch mit ihrem Gehalt den Kredit bedienen kann.

Diese Hoffnungen erfüllten sich nicht, und so war das Ende abzusehen: Täglich rechnete er damit, entdeckt zu werden. Das passierte letztlich, weil er sich gar nicht mehr bemühte, seine Transaktionen zu verschleiern. Sich aber selbst zu stellen, dafür habe ihm der Mut gefehlt, sagte der 39-Jährige. Es tue ihm auch ausgesprochen leid, das Vertrauen von Menschen missbraucht zu haben, die ihm am meisten vertrauten.

Ab Februar ist nun ein kompletter Neuanfang geplant. In Berlin soll der Angeklagte als kaufmännischer Sachbearbeiter im Betrieb seines Bruders tätig werden. Dass es tatsächlich dazu kommen kann, dazu verhalf ihm auch das Urteil, das das Schöffengericht gestern fällte: Wie von Staatsanwaltschaft und Verteidigung beantragt, wurden die Einzelstrafen für die 102  Untreue-Fälle so eng zusammengezogen, dass die Freiheitsstrafe bei zwei Jahren liegt und noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Als Bewährungsauflage kommen 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit hinzu.

Bleibt zu hoffen, dass Amtsrichterin Franziska Hermle richtig liegt, wenn sie davon ausgeht, dass der 39-Jährige seine Chance auf Bewährung auch nutzen kann.