Zwei pensionierte Lehrer erteilen Sprachunterricht für erwachsene Asylbewerber in Kirchheim
Willige „Schüler“ im Deutschkurs

Sprache ist wichtig für die Kommunikation, und Kommunikation ist wichtig für die Teilhabe in der Gesellschaft. Deshalb geben Hartmut Schal­lenmüller und Sibylle Ebinger an zwei Vormittagen in der Woche Deutschunterricht für Menschen aus aller Welt, die als Asylbewerber nach Kirchheim gekommen sind.

Kirchheim. Hartmut Schallenmüller und Sibylle Ebinger sind beide pensionierte Lehrer. Ihre aktuelle Aufgabe üben sie im Auftrag des AK Asyl aus, der dabei wiederum finanziell vom Lions-Club Nürtingen-Kirchheim unterstützt wird. Schulferien gibt es bei ihrem Kursangebot eher nicht. Zumindest werden Ferien, die nur eine Woche dauern, fast immer „durchgemacht“. Regelmäßigkeit ist wichtig, das stellen beide Kursleiter immer wieder fest. „Wenn wir Pausen machen, leidet anschließend die Teilnahme darunter“, sagt Hartmut Schallenmüller.

Die Teilnehmerzahlen schwanken, sie liegen bei fünf bis 15 Menschen, die in zwei Gruppen betreut werden. Hartmut Schallenmüller ist dabei eher für die Fortgeschrittenen zuständig, während Sibylle Ebinger mehr mit den Anfängern arbeitet. Die kleinen Gruppen wissen sie aber durchaus zu schätzen. Hartmut Schallenmüller: „Da können wir sehr viel mündlich machen. Mit mehr Leuten müsste ich mehr schriftliche Aufgaben stellen. Aber gerade das Sprechen ist am Anfang das wichtigste.“

Was auch wichtig ist, das ist die Tatsache, dass es sich um ein freiwilliges Angebot handelt. Deshalb sind die Teilnehmer, die dabeibleiben, auch ausgesprochen lernwillig. Natürlich hängt der Erfolg immer auch davon ab, wie eifrig die „Schüler“ zwischen den Unterrichtszeiten am Dienstag und am Freitag selbst lernen und ihre Hausaufgaben machen. „Da gibt es einen, der macht jeden Tag stundenlang was, ein anderer macht vielleicht gar nichts“, stellt Hartmut Schallenmüller fest. Aber gerade bei Erwachsenen sei es noch viel wichtiger, ständig zu üben und zu wiederholen, als bei Kindern. Lange Pausen dürfe man da nicht machen.

Etwas ganz anderes als der Lerneifer ist die Art und Weise, wie die Kursteilnehmer ihren „Lehrern“ begegnen. Sibylle Ebinger spricht von großer „Dankbarkeit“, die ihr entgegengebracht wird, und auch von einer großen Hilfsbereitschaft. Wenn sie als Kursleiter einmal die Tafel wischen, sei sofort jemand da, um dabei zu helfen. Hartmut Schallenmüller wiederum findet den „Respekt“, mit dem ihm die Kursteilnehmer begegnen, ganz außergewöhnlich. Selbst jemand, der nur einmal zum Kurs gekommen und danach nie wieder aufgetaucht ist, freue sich in der Stadt immer sehr, ihn zu sehen.

Die Gründe für ein Fernbleiben nach anfänglicher Begeisterung seien sehr unterschiedlich, sagen beide Kursleiter. Da gebe es Termine bei Ärzten oder Behörden, Besuche bei Bekannten und Verwandten, die nicht in Kirchheim leben, aber auch grundlegende kulturelle Unterschiede: Manche Frauen seien eben deshalb nur einmal im Kurs gewesen, weil sie bei ihrem kulturellen Hintergrund nicht gemeinsam mit Männern im Unterricht sitzen konnten.

Um dieses Problem zu lösen, gibt es zum einen auch spezielle Deutschkurse für Frauen. Zum anderen kommt es aber tatsächlich sehr auf die Herkunft an. So berichtet Sibylle Ebinger von zwei Teilnehmerinnen, die aus China beziehungsweise der Mongolei stammen und keinerlei Probleme mit männlichen „Klassenkameraden“ haben.

Die Länder, aus denen derzeit die meisten Kursteilnehmer stammen, seien der Iran, der Irak, Afghanistan und Pakistan. Sri Lanka sei ebenso vertreten wie Serbien oder Mazedonien. „Was wir derzeit noch nicht haben, sind Teilnehmer aus Syrien“, sagt Hartmut Schallenmüller. „Aber die werden wohl noch kommen.“

Deutsch ist für viele der Kursteilnehmer die einzige Sprache, die sie alle gemeinsam sprechen und verstehen könnten. Auch dabei hängt viel vom Bildungshintergrund ab: Wenn jemand Englisch kann, tut er sich viel leichter. Und auch die Kursleiter haben es einfacher, über diese gemeinsame Sprache Inhalte zu transportieren.

Ansonsten aber helfen sich die Teilnehmer untereinander auch viel, etwa wenn jemand Englisch versteht oder schon einigermaßen gut Deutsch spricht. Dann wird für andere gedolmetscht, und es klingt beinahe babylonisch, was da so an Sprachen zusammenkommt: Chinesisch, Arabisch, Farsi oder Urdu. Arabisch hat übrigens oft eine ähnliche Funktion wie Englisch: Es ist eine Sprache, in der sich viele Kursteilnehmer gemeinsam verständigen können, auch wenn es sich nicht um die jeweilige Muttersprache handelt.

Zur „Sprachverwirrung“ kommt als Schwierigkeit noch die Schrift hinzu. Einerseits gibt es Analphabeten in den Kursen, andererseits bringen viele ihre eigene Schrift mit, die mit der abendländisch-lateinischen Schrift rein gar nichts zu tun hat. „Gestik und Mimik“ sind dann häufig wichtiger als Sprache und Schrift, berichtet Sibylle Ebinger. Trotzdem hat sie, die erst vor einem Jahr und damit zwei Jahre nach Hartmut Schallenmüller zur Kursleiterin wurde, eine Neuerung angeregt: Unterricht aus Büchern. Anfangs habe das einen unglaublichen Schub gebracht. Die Teilnehmer fühlten sich allein durch das Buch aufgewertet und waren mit zusätzlicher Begeisterung bei der Sache.

Gespannt sind beide Kursleiter darauf, wie es weitergeht, auch mit gesetzlichen Bestimmungen. Die Landesregierung plane, Asylbewerbern auch schon vor der Anerkennung ein Recht auf kostenlose Sprachkurse zuzugestehen. Das wäre für Hartmut Schallenmüller und Sibylle Ebinger ein beachtlicher Schritt in die richtige Richtung. Hartmut Schallenmüller hat in seinen Kursen nämlich schon viele Computerexperten oder Ingenieure kennengelernt, denen vor allem noch die Sprachkenntnisse fehlen, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können. Zwei Vormittage Deutschkurs pro Woche reichen dafür eben doch nicht aus.