Wolfschlugen. Vor etwas mehr als einem Jahr hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Zentrale des Windparkentwicklers Windreich mit Sitz in Wolfschlugen durchsucht. Dabei haben die Ermittler eine Menge Material mitgenommen: 1 700 Papierasservate und 5 Terabyte an elektronischen Daten müssen gesichtet werden. Das dauert, bis ein Ergebnis vorliegt. Immerhin wird gegen Firmengründer Willi Balz, den ehemaligen baden-württembergischen Wirtschaftsminister und Windreich-Vorstand Walter Döring sowie andere wegen des Verdachts der Bilanzmavder Staatsanwaltschaft geratenen Personen wiesen die Vorwürfe mehrfach zurück.
Viel schneller hingegen kann Insolvenzverwalter Holger Blümle erste Ergebnisse präsentieren. In einem Bericht werden zahlreiche Gründe als Ursachen für die Pleite des Projektentwicklers für Windparks auf hoher See aufgezählt. Neben den allgemeinen Schwierigkeiten vor dem Hintergrund der unsicheren Lage über die Rahmenbedingungen der Branche für die Investoren werden auch mehrere „interne Insolvenzursachen“ für den Niedergang von Windreich genannt. Da ist die Rede von einer „fehlenden Organisationsstruktur für ein Unternehmen mit einem Umsatz von über 100 Millionen Euro“. Bei dem in Wolfschlugen ansässigen Betrieb war alles auf den früheren Eigentümer Willi Balz zugeschnitten. Er hatte das letzte Wort. So wird ein „fehlendes Controlling“ bemängelt sowie generell die Führungsstruktur.
Aufsichtsrat und Management besetzte Balz gerne mit großen und prominenten Namen: So zog einst der Vorstandschef von Festo, Eberhard Veit, in den Aufsichtsrat ein. Auch der ehemalige FDP-Bundesvize Walter Döring bekam einen Posten. Zuletzt gelang es Balz, einen Super-Promi für das Kontrollgremium zu ködern. Die frühere Tagesthemen-Moderatorin Sabine Christiansen, die sich im Bereich Nachhaltigkeit engagiert.
Für weiteres Aufsehen hatte das Engagement des ehemaligen Telekom-Managers Karl-Gerhard Eick gesorgt. Er sollte die Finanzen beim hoch verschuldeten Windparkentwickler in Ordnung bringen. Sein Gastspiel war nur von kurzer Dauer. Zu den Personalien stellt der Bericht des Insolvenzverwalters in zwei dürren Zeilen fest: „Es gab in der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen Wechsel im Top-Management, die sich nachhaltig schlecht auf die Kontinuität der Führung auswirkten.“
Schließlich sind gleichfalls starke „Verzögerungen bei der Umsetzung des Projektes MEG 1“ mit schuld für die Schieflage des Unternehmens mit einst mehr als 100 Mitarbeitern gewesen. Durch die Probleme bei dem Meereswindpark in der Nordsee entstanden dem hoch verschuldeten Mittelständler weitere belastende Kosten. „Andererseits fehlt der dringend benötigte Kapitalzufluss aus dem Verkauf des zu 100 Prozent bei der Schuldnerin selbst liegenden Projektes.“ Und die Durchsuchung der Staatsanwaltschaft rückte die Firma auch nicht unbedingt in das beste Licht. In der Folge sei nochmals versucht worden, durch Überbrückungsfinanzierungen die Restrukturierung einzuläuten, was allerdings nicht gelungen sei. Die Gläubiger haben Forderungen von 366 Millionen Euro angemeldet. Neben den Zeichnern der beiden Anleihen – Balz hatte sich an der Börse 125 Millionen Euro besorgt – wollen vor allem Banken ihr Geld zurückhaben.
Allein das schweizerische Nobelinstitut J. Safra Sarasin hat Windreich 70 Millionen Euro an Kredit gewährt. Laut Balz hat diese Bank den Insolvenzantrag gegen ihn beim Amtsgericht Esslingen gestellt. Auf Anfrage wollte sich das Geldhaus nicht zu der Angelegenheit äußern. Es steht nämlich gleichfalls in der Kritik. Es soll Anleger nicht entsprechend auf mögliche Interessenkonflikte hingewiesen haben, als es ihnen Windreich-Papiere zur Anlage empfahl.
Die Zukunft ist offen. Alles hängt davon ab, ob es dem Insolvenzverwalter gelingt, einen Käufer für den Windpark MEG 1 zu finden. Dann könnten Windreich 120 Millionen Euro an liquiden Mitteln zufließen. „Ein Teil dieses durch die erfolgreiche Anteilsveräußerung entstehenden ‚Übererlöses‘ könnte zur Unternehmensfortführung der Schuldnerin sowie zur Finanzierung weiterer potenziell Erlös generierender Projekte verwendet werden“, heißt es. Im Sommer informiert der Insolvenzverwalter die Gläubiger wieder.