tb. Der Bund der Selbständigen vertritt in Baden-Württemberg vornehmlich kleinere und mittlere Betriebe und zwar branchenübergreifend. Die Kirchheimer Unternehmerin Bettina Schmauder von Schmauder & Rau ist Co-Präsidentin des BDS.
Die Unternehmerin war bereits von 2011 bis 2014 Co-Vorsitzende des BDS-Ortsverbandes und steht gemeinsam mit dem Dettinger Unternehmer Jan Dietz seit 2021 an der Spitze des Landesverbandes. Darüber hinaus ist sie als Mitglied des Gemeinderates der Stadt Kirchheim Fraktionsvorsitzendes der Freien Wähler und Geschäftsführerin der Zweitligabasketballer Kirchheim Knights.
Im Interview erklärt sie, was die BDS-Mitglieder für Arbeitnehmer attraktiv macht, vor welchen Herausforderungen, die Betriebe in den kommenden Jahren stehen und welche Maßnahmen man ergreifen sollte.
Frau Schmauder, wer als Arbeitgeber attraktiv sein will, muss potenziellen Bewerbern deutlich machen, was für ihn als Arbeitgeber spricht – und zwar in unterschiedlichen Kommunikationskanälen. Bei der Suche nach guten Mitarbeitern können Unternehmen viel von ihrem Know-how nutzen, das sie in einem anderen Bereich bereits selbstverständlich einsetzen – ihrer Werbung. Machen ihre Mitglieder genug Werbung für sich?
Bettina Schmauder: Ein richtiger Gedanke. Ich denke es ist bei unseren Mitgliedern schon lange angekommen, dass sie sich als Arbeitgebermarke nach außen präsentieren müssen. Das geschieht bereits in vielfältiger Hinsicht. Denken wir nur mal an das Social-Media Engagement vieler Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich als Mensch in den Mittelpunkt stellen und dadurch auch für das eigene Unternehmen und für sich als potentielle Chef oder Chefin werben. Auch haben es viele Mitglieder verstanden, dass man sich dort aufhalten soll, wo sich die potentiellen Mitarbeiter aufhalten: Seien es die Schulen oder Ausbildungsmessen, wenn es um Azubis geht oder aber auch bei Events und Veranstaltungen, wo man früher eher für sein Produkt geworben hat und sich heute als attraktiver Arbeitgeber präsentiert. Ein „Kanal“, der meiner Meinung nach oft unterschätzt wird, ist das eigene Team. Sprechen deine Mitarbeitende positiv über dich, deinen Betrieb und ihre Arbeit, so wirkt das enorm und kann die eine oder andere attraktive Bewerbung nach sich ziehen. Aber wie immer beim Marketing und in der Werbung kommt es eben auf die Zielgruppe und die richtige Mischung an.
Welche Firmen vertritt eigentlich der Bund der Selbständigen?
Schmauder: Der Bund der Selbständigen vertritt in Baden-Württemberg vornehmlich kleinere und mittlere Betriebe und zwar branchenübergreifend. Der ganz große Vorteil ist die lokale Verankerung. Der BDS wirkt quasi aus den lokal agierenden Ortsvereinen heraus, die in der Regel eigenständig vor Ort die Vernetzung und die kommunalpolitische Vertretung übernehmen. Der Landesverband sorgt dann wiederum auf der übergeordneten Ebene für die Vernetzung, Informationen für die Betriebe und vertritt die Interessen der Unternehmer auf Landesebene – bei der Politik aber auch in der gesamten Gesellschaft.
Was macht die Mitglieder des BDS attraktiv für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Wir sind vor Ort, bei uns arbeiten die Chefs noch mit, wir leben und lieben unseren Betrieb genauso wie unsere Heimatstadt, wir fordern und fördern unsere MitarbeiterInnen weil wir wissen, dass wir ohne sie keinen guten Job machen können.
Stehen die Mitglieder des BDS auch vor einer Pensionierungswelle, wenn die Babyboomer demnächst in Rente gehen? Welchen Personalbedarf sehen Sie in den kommenden Jahren?
Schmauder: Natürlich stehen die BDS-Unternehmen vor dem gleichen Problem wie andere Unternehmen. Mit den Babyboomern verlässt vor allem auch viel Knowhow das Unternehmen und es ist eine große Kraftanstrengung, den Wissenstransfer sicher zu stellen. Ganz gleich ob Handwerks- oder Handelsunternehmen, Dienstleiter oder in den vielen kleinen Industrieunternehmen, auch bei uns gehen mehr Mitarbeiter in den verdienten Ruhestand als jüngere Mitarbeiter nachrücken.
Dann werden zwangsläufig auch viele Unternehmerinnen und Unternehmer in Rente gehen - ist denn die Nachfolge geregelt?
Schmauder: Richtig. Mit ihnen gehen aber auch die Chefs von Bord und das ist ein riesengroßes Problem für die Gesellschaft, dem unserer Meinung nach noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. So steht in den nächsten Jahren bei 42 Prozent der Unternehmer der Generationenübergang an und 42 Prozent dieser Unternehmen haben die Nachfolge noch nicht geregelt. Viele dieser Unternehmen werden leise sterben, denn das einzelne Unternehmen ist nicht systemrelevant. Aber in der Gesamtheit sind wir durchaus systemrelevant, weswegen die Auswirkung dramatisch sein wird. Handwerker, Gastronomen, Einzelhändler wird es einfach nicht mehr geben. Es ist in der Gesellschaft weder besonders sexy noch anerkannt, Unternehmer zu sein. Wussten Sie, dass beim Tatort meist der unsympathische Unternehmer der Bösewicht ist? Das ist keine besondere gute Werbung für ein „Berufsbild“, das vielmehr Lebensaufgabe ist und gleichermaßen erfüllend wie risikoreich ist. Was wir brauchen, sind junge Menschen, die die Nachfolge antreten und die großartige Arbeit vieler Unternehmen fortsetzen. Was wir brauchen, ist eine Imagekampagne fürs Unternehmertum. Weil uns das Thema auch wichtig ist, hat der Landesverband des BDS die Gruppe „Next Generation“ gegründet. Es ist eine Plattform speziell für junge Unternehmer. Viele unserer Mitglieder stehen vor dem Eintritt ins Familienunternehmen oder haben sich jüngst selbständig gemacht. Es ist total spannend zu sehen, wie die jungen Menschen miteinander interagieren. Genau diese Dynamik brauchen wir.
Zurück ins Jetzt: Deutschland befindet sich aktuell wirtschaftlich in einer Krise. Gleichzeitig sind aber mehr als 1,5 Millionen Stellen unbesetzt. Quer durch die Branchen und Regionen stufen Betriebe aller Größenklassen in diversen Unternehmensumfragen den Mangel an Fachkräften als eines ihrer größten Geschäftsrisiken ein? Wie sieht es da bei den Mitgliedern im BDS aus?
Schmauder: Wie eben beschrieben ist für viele die fehlende Nachfolge ein großes Geschäftsrisiko aber die Gründe sind vielfältig und der Mangel an Fachkräften ist natürlich eines der Risiken. Viele BDS-Unternehmen sind Ausbildungsbetriebe und sorgen so für den eigenen Nachwuchs. Oftmals aber werden nach einigen Jahren die gut ausgebildeten Fachkräfte von großen Arbeitgebern abgeworben, vorwiegend weil sie andere Gehälter zahlen können. Dennoch sind wir kleinen Betriebe selbstbewusst und werben mit dem familiären Betriebsklima, individuellen Lösungen und einer vergleichsweise hohen Arbeitsplatzsicherheit. Bei uns sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Menschen und keine Nummern. Es ist eine große Aufgabe, seine Fachkräfte auszubilden und auch zu behalten, aber wir nehmen die Herausforderung gerne an. In diesem Zusammenhang ist es einfach wichtig, die Fachkräfte effizient einzusetzen und die Prozesse im Blick zu haben. Die Digitalisierung und moderne Arbeitsmethoden spielt in diesem Zusammenhang natürlich eine wichtige Rolle. Man muss immer am Ball bleiben.
Der Bund der Selbständigen Baden-Württemberg e.V. (BDS) veröffentlicht halbjährlich ein Stimmungsbarometer. Unzufriedenheit und Zukunftsängste nehmen weiter zu, während das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik dramatisch fehle, kann man aus den Umfragen ablesen. Was wünschen sich denn Ihre Mitglieder?
Schmauder: Die Stimmung bei unseren Mitgliedern ist echt fast durchgängig schlecht. Die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, ist einfach nicht gegeben. Daher hangeln wir uns in den Stimmungsumfragen von einem Negativwert zum nächsten. In Schulnoten ausgedrückt ist der Schüler akut versetzungsgefährdet. Wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise, die auch hausgemacht ist. Andere Volkswirtschaften mussten auch unter den vielfältigen internationalen Krisen und Kriege leiden, stehen teilweise aber besser da als Deutschland. Das sollte uns schon zu denken geben und wir müssen in vielen Bereichen raus aus der Komfortzone. Meiner Meinung nach ist aber vor allem eine gute Portion Optimismus gefragt. Ohne die Überzeugung, dass wir mit vereinten Kräften aus der Krise kommen, werden wir uns schwer tun.
Die Probleme sind ja größtenteils auch hausgemacht: Ein Problem der deutschen Wirtschaft ist ihre rückständige Vernetzung und Digitalisierung beispielsweise im Vergleich zu den Vereinigten Staaten. Ein weiteres hausgemachtes Problem ist die Überbürokratisierung?
Schmauder: Die fehlende Vernetzung und Digitalisierung sowie die überbordende Bürokratisierung gehen sehr oft Hand in Hand. Wir müssen diese starren Fesseln aufbrechen und uns viel mehr die Frage stellen, wo wir hin wollen - wir brauchen viel mehr Vision und Zielbild. Und dann müssen wir ganz konsequent den Weg gehen. Wenn wir immer nur nach Gründen suchen, die gegen eine Weiterentwicklung sprechen und uns mit Nebenkriegsschauplätzen beschäftigen, werden wir auch in Zukunft hinter anderen Ländern zurückhängen. Und unsere Industrie wird schrittweise Deutschland verlassen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Es ist noch nicht zu spät. Aber dafür muss sich jetzt schnell vieles ändern. Damit meine ich, dass die Politik Rahmenbedingungen setzt, unter denen Unternehmer sich wieder auf ihr Kerngeschäft fokussieren können. Das haben übrigens auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdient.