Im Sommerlager des Kreisjugendrings wird die Zeltlager-Gemeinschaft zur Familie auf Zeit
„Wir sind hier, wir sind eine Familie“

Obersteinbach. Auf der Wäscheleine flattern die bunten Batik-T-Shirts im Wind und durch die Blätter der sattgrünen Laubbäume fällt gerade genug Sonnenlicht, um die selbst gemachten Mosaikspiegel funkeln zu lassen. Glockenläuten stimmt in das leise Zirpen der Grillen ein. Bald


Sabrina Fechter

darauf durchbrechen Kinderstimmen und Besteckklappern die Stille. Es ist Essenszeit im Sommerlager des Kreisjugendrings (KJR) Esslingen in Obersteinbach.

Die Kinder stimmen ein und singen den selbst gedichteten „Essenssong“, bevor sie sich über Schnitzel und Kartoffelsalat hermachen. Andrea Spätling, die das Sommerlager seit 15 Jahren leitet, findet es wichtig, dass sich durch die Arbeit im Zeltlager ein roter Faden zieht. Deshalb verändern sich das Programm und der Speiseplan von Jahr zu Jahr, aber gewisse Rituale wie das Singen vor dem Essen oder Regeln wie das Handyverbot bleiben gleich.

Neben Spiel und Spaß gibt es für die Kinder auch Pflichten: „Küchendienst macht richtig Spaß“, findet der elfjährige Anton. Er ist zum ersten Mal im Sommerlager und schätzt die Arbeit des vierköpfigen Küchenteams um den Geschäftsführer des KJR, Kurt Spätling: „Kurt und das Küchenteam geben sich so viel Mühe, da wollen wir auch helfen.“

Nicht nur in der Küche sind fleißige Helfer am Werk, auch die 18 freiwilligen Betreuer geben ihr Bestes. „Man braucht gute Betreuer, mit denen steht und fällt das Ganze“, weiß Andrea Spätling. Sie sind Vorbild und Ansprechpartner für die Kinder und betreuen ihre Zeltgruppe die gesamten zwei Wochen. Es wird gemeinsam übernachtet, gegessen und gespielt.

Die Betreuerteams geben sich große Mühe, ihren Schützlingen ein abwechslungsreiches Programm zu bieten: Von Fußball über Kerzenziehen, Tanz und Nähen bis hin zum Bau eines richtigen Indianer-Tipis kann jedes Kind etwas für sich entdecken und seine Zeit im Lager mitgestalten. Manchmal ergreifen auch die Kinder selbst die Initiative, so wie die „Holzwürmer“, die sich ein eigenes Lager am Waldrand gebaut haben.

„Zu Hause hatte ich noch nie ein richtiges Baumhaus“, erzählt Julius aufgeregt und zeigt auf die stabile Konstruktion in der Baumkrone. „Wir haben sogar hier übernachtet“, sagt der Zehnjährige stolz, und auch Anton stimmt ein: „Unter freiem Himmel zu schlafen war wirklich toll“. Mit einfachen Mitteln sollen im Sommerlager schöne und einmalige Erlebnisse ermöglicht werden, die den Kindern in Erinnerung bleiben.

Und das tun sie: „Wir haben viele Wiederholungstäter hier“, sagt die Leiterin lachend. Das gilt nicht nur für die ehrenamtlichen Betreuer, sondern auch für die Kinder. Viele sind bereits zum zweiten oder dritten Mal dabei und treffen in Obersteinbach auf ihre Zeltlagerfreunde vom letzten Jahr. Im Sommerlager herrscht „gute Stimmung und es werden viele tolle Spiele gemacht“, sagt die zehnjährige Sofie anerkennend. Im nächsten Jahr will auch sie auf jeden Fall wieder dabei sein.

Trotz der Begeisterung sind die Teilnehmerzahlen in den vergangenen Jahren gesunken: „Heute macht jede Gemeinde ein super Ferienprogramm“, sagt Andrea Spätling, die um die vielfältigen Angebote neben dem Sommerlager des KJR weiß.

Vor allem der zweite Termin für das Sommerlager im August sei mit 46 angemeldeten Kindern nicht ganz so beliebt wie die ersten beiden Ferienwochen, in denen 96 Teilnehmer im Lager verweilen. „Ohne die Un­terstützung durch den Lions Club könnte das zweite Sommerlager nicht stattfinden“, merkt Spätling an. Eine Spende gibt 25 Kindern aus sozial schwachen Familien die Möglichkeit, ihr gewohntes Umfeld für zwei Wochen gegen das bunte Treiben im Zeltlager einzutauschen. „Für viele ist das der erste Urlaub“, erklärt Jürgen Rüdinger, Präsident des Lions Clubs Nürtingen-Kirchheim. „Das tut den Kindern gut und es sind immer Erfolgsgeschichten“, erklärt er und erzählt von den Briefen, die er von den Kindern als Dankeschön erhält.

Auch Andrea Spätling genießt die Sommerlageratmosphäre und sieht, dass die Kinder positive Erfahrungen machen: „Du bist hier, du legst alles ab und tauchst ein.“ Ohne Kontakt zu den Eltern und der Außenwelt, lässt man sich ganz auf die Gruppe ein. „Das ist der ideale Schutz vor Heimweh“, bemerkt Spätling. Denn die gemeinsamen Erlebnisse schweißen zusammen. „Wir sind hier, wir sind eine Familie“, sagt sie und lächelt. Wenn die Kinder die Heimreise antreten freuen sie sich auf zu Hause, sind aber auch traurig, ihre Zeltlager-Familie zurückzulassen.