Die Bande „Red Legion“ ist vor dem tödlichen Angriff im Dezember noch nicht in der Stadt aufgefallen
„Wir wissen wenig über die Gruppe“

Schon zum zweiten Mal ist Esslingen Schauplatz eines blutigen Bandenkriegs geworden. Vor Heiligabend kam ein Mensch zu Tode, als Mitglieder der „Red Legion“ vor einer Bar mit Messern und Schlagwerkzeugen über eine Gruppe der „Black Jackets“ herfielen. Ein Interview mit dem Leiter der Sonderkommission „Obertor“, Michael Gerg.

Die tödliche Auseinandersetzung zweier Banden mitten in Esslingen hat viele Menschen geschockt. War es Zufall, dass es ausgerechnet hier zu dem Zusammenstoß kam oder ist Esslingen ein regionales Zentrum gewaltbereiter Gangs?
GERG: Nach derzeitigen Erkenntnissen schätzen wir das als Zufall ein. Diese Auseinanderersetzung hätte auch in anderen Städten der Region stattfinden können.
Bis jetzt wurden solche Auseinandersetzungen in der Regel mit Fäusten und Schlagwerkzeugen ausgetragen, diesmal haben die Angreifer auch mit Messern zugestochen. Hat die Gewaltbereitschaft hier eine neue Dimension erreicht?
GERG: Generell nehmen wir jede Form der gewalttätigen Konfrontation sehr ernst. Auch bei der Verwendung von Schlagwerkzeugen wurden in der Vergangenheit ja schwere Verletzungen verursacht. Und auch bei früheren Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppierungen wurden Hieb- und Stichwaffen verwendet, jedoch nicht mit so schwerwiegenden Folgen.
Die Black Jackets sind in Esslingen spätestens seit dem brutalen Überfall auf eine Gruppe junger Leute im Hof der Waisenhofschule im Juni 2009 ein Begriff. Die „Red Legion“ ist hier bis jetzt noch nicht in Erscheinung getreten. Seit wann ist diese Gruppierung nach ihren Erkenntnissen in Esslingen und der Region aktiv?
GERG: Wir haben derzeit noch sehr wenig Erkenntnisse zu den Strukturen dieser Gruppierung, da diese in der Vergangenheit in Esslingen nicht mit öffentlichkeitswirksamen Gewaltaktionen gegen rivalisierende Gruppen auffällig geworden ist. Die Gründung der „Red Legion“ soll im Jahr 2010 stattgefunden haben, und die Mitglieder stammen größtenteils aus den Bereichen Stuttgart, Ludwigsburg und Esslingen.
Sind die beiden Gruppierungen was Mitgliederstruktur und Organisation betrifft miteinander vergleichbar oder gibt es grundlegende Unterschiede?
GERG: Im Wesentlichen können die Strukturen als vergleichbar bezeichnet werden.
Worum geht es bei den Auseinandersetzungen der beiden Gangs: Nur um die Demonstration von Macht oder auch um handfeste Interessen, etwa die Kontrolle über Drogengeschäfte oder Ähnliches?
GERG: Das wissen wir bis jetzt leider noch nicht, hoffen aber, in den nächsten Wochen Klarheit zu gewinnen.
Im Prozess zum Überfall im Hof der Waisenhofschule wurde mehrfach behauptet, das „Black-Jackets-Chapter“ Stuttgart sei mittlerweile aufgelöst worden. Wie aktiv ist die Gruppe nach Ihren Einschätzungen noch in der Region?
GERG: Die „Black Jackets“ sind ja kein im Vereinsregister eingetragener Verein, insofern kann eine Auflösung nicht so ohne Weiteres verifiziert werden. Für Esslingen kann in Folge des Vorfalls im Waisenhof und der sich anschließenden Ermittlungen und Festnahmen aber festgestellt werden, dass sich die Aktivitäten der „Black Jackets“ stark reduziert haben.

Befürchten Sie nach dem jüngsten Vorfall Racheakte der „Black Jackets“?
GERG: Grundsätzlich ist nicht auszuschließen, dass in diesem Milieu auch in Zukunft gewalttätige Konfrontationen stattfinden. Wie schon nach dem Vorfall im Waisenhof im Sommer 2009, haben wir aber auch dieses Mal wieder alle möglichen Schritte eingeleitet, um die Gefahr so gering wie möglich zu halten.
Zeugen Gesucht
Die Ermittlungen der Sonderkommission „Obertor“ gehen weiter. Für Zeugen, die Angaben zu dem Vorfall am 21. Dezember, bei dem ein 22-jähriger Mann türkischer Herkunft erstochen wurde, und zu möglichen Beteiligten machen können, ist weiterhin ein Hinweistelefon unter der Telefonnummer 07 11/39 90-5 55 geschaltet.