Thaddäus Kunzmann diskutierte mit Vertretern aus Politik und Religion über das neue Bestattungsgesetz
Wird der Sarg zum Auslaufmodell?

Nach den Plänen des Landtags könnte die Sargpflicht bei Bestattungen bald kippen. Mit einem neuen Gesetz wolle man einer Bestattungskultur im Wandel ebenso gerecht werden wie den Traditionen von Muslimen, so die Begründung. Der CDU-Landtagsabgeordnete Thaddäus Kunzmann diskutierte darüber im katholischen Gemeindehaus in Nürtingen.

Nürtingen. Noch vor der Sommerpause soll der Entwurf für ein neues Bestattungsgesetz stehen, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Thaddäus Kunzman im katholischen Gemeindehaus Sankt Johannes. Deshalb kam auch verhaltenes Lob für die Regierungsparteien: man sei sehr früh auf die Union zugegangen, um einen möglichst breiten Konsens zu erreichen.

Mit diesen Änderungen wolle man der Vielfalt der Bestattungskulturen, die es zwischenzeitlich gibt, gerecht werden. Um ein möglichst breites Meinungsbild einzuholen, hatte Kunzmann Vertreter der Kirchen und muslimischen Religionsgemeinschaften, die Bürgermeister seines Wahlkreises und Bestatter eingeladen, mit ihm über die Eckpunkte des Gesetzesentwurfs zu diskutieren, der derzeit von den Landtagsfraktionen erarbeitet wird.

Oliver Schütz, Geschäftsführer des katholischen Dekanats Esslingen-Nürtingen betonte, dass Grabstätten grundsätzlich ein öffentlicher Raum sein müssten. Es habe auch im Christentum nicht immer eine Sargpflicht gegeben, schilderte Schütz.

Früher sei die Erdbestattung im Sarg statt Grabtuch immer auch ein Privileg der Wohlhabenden gewesen. Und genau davor fürchte er sich: Dass durch den Wegfall der Sargpflicht ein Zwei-Klassen-Bestattungswesen entstehen könnte. Durch das neue Gesetz dürfe es nicht durch die Hintertür dazu kommen, dass bei Sozialbestattungen künftig der Sarg gespart werde.

Den Wegfall der Friedhofspflicht sah auch sein evangelischer Dekan-Kollege Michael Waldmann kritisch: „Die Bestattungskultur ändert sich rasant“, sagte Waldmann. Und immer öfter ähnele der Umgang mit verstorbenen Angehörigen der Wegwerf-Mentalität der Gesellschaft.

Man brauche Zeit für die Trauerarbeit und einen würdigen Ort für die Bestattung, keine privat betriebene Halle. „Wenn jemand schlecht mit dem Tod eines Verstorbenen umgeht, holt einen das wieder ein“, so Waldmann.

Mehmet Havlaci vom Verein Inte­gra in Filderstadt wies darauf hin, dass es in vielen Kliniken bereits Möglichkeiten gebe, Verstorbene nach muslimischem Brauch rituell zu waschen. Diese Möglichkeiten wünscht er sich auch für Aussegnungshallen. Außerdem müsse man den Verstorbenen für das Totengebet aufbahren. Die Toten werden stets nach Mekka gewandt begraben, so Havlaci, auch darauf müsste man beim Anlegen von Gräbern für Muslime achten.

Birgül Akpinar vom Christlich-Alevitischen Freundeskreis der CDU, gab ebenfalls einen kurzen Abriss in alevitische Bestattungsrituale. Sie mahnte an, dass die Nachfrage nach islamischen Bestattungen künftig steigen werde, da die Muslime, die hier geboren sind, sich vermutlich auch hier bestatten lassen. Ihre Eltern hätten bereits beschlossen, in Deutschland begraben zu werden. „Ich war immer von christlichen Bestattungen begeistert, weil sie einen geregelten Ablauf haben. Das wünsche ich mir auch“, sagte Akpinar.

In Nürtingen gibt es bereits seit November ein Grabfeld, das den Ansprüchen einer muslimischen Bestattung entspricht, schilderte Kerstin Durst vom Bauverwaltungsamt. Man habe zuvor die Bedürfnisse abgefragt und Räume bereitgestellt.

„Wir wissen aus anderen Städten, dass es in der Praxis sehr unkompliziert abläuft.“ Norbert Branz, Filderstädter Tiefbauamtsleiter, berichtete, dass man derzeit daran arbeite, die Friedhofsordnung umzuarbeiten um beispielsweise auch Bestattungen von Föten oder tot geborenen Kindern zu ermöglichen. Von den sechs Friedhöfen der fünf Stadtteile seien zwei an der Kapazitätsgrenze.

Ähnliche Probleme treiben auch die Bürgermeister der kleineren Gemeinden um: Jens Timm aus Neckartailfingen sprach von „erheblichen Problemen“, vor denen seine Gemeinde stehe, sollte man die Pläne umsetzen müssen. Auch Martin Fritz, Großbettlingen, und Bernd Müller, Altenriet, betonten, dass es gar keinen Platz auf ihren Friedhöfen für zusätzliche Räume gebe. Ihr Vorschlag: eine interkommunale Zusammenarbeit. Ein weiteres Problem sehen die Bürgermeister auch in der verkürzten Wartepflicht: Schon jetzt sei es nur mit hohem Aufwand möglich, die für eine Bestattung benötigten Papiere innerhalb von 48 Stunden zu beschaffen. Bei einer Frist von 24 Stunden sei das beinahe unmöglich.

Das bestätigten auch die Bestatter Johan Homburg vom Bestattungshaus Riempp und Karlheinz Kühne. Es sei schwierig, weil Geburtsurkunden zum Teil andernorts angefordert oder gar übersetzt werden müssten. Bei der Bestattung ohne Sarg sieht Kühne eher technische oder auch hygienische Probleme, insbesondere bei Verstorbenen, die ansteckende Krankheiten hatten. Der Transport Verstorbener soll auch weiterhin im Sarg vorgenommen werden, so Kunzmann. Lediglich die Bestattung könne im Grabtuch erfolgen.

Hier zeigte sich Birgül Akpinar gesprächsbereit: „Muslimische Verbände müssen auch reformwillig sein“. Die Bestattungsrituale des Islam seien vor 1 400 Jahre auf der arabischen Halbinsel entstanden. Damals habe man ganz andere Voraussetzungen gehabt als heute in Mitteleuropa. Damals sei es praktikabel gewesen seine Toten möglichst rasch und ohne Sarg zu bestatten.

Das Land plant, das Bestattungsgesetz grundlegend zu reformieren. So soll die Sargpflicht abgeschafft werden. Außerdem sollen Urnengedenkstätten auch außerhalb von Friedhöfen eingerichtet werden können. Träger der Gedenkstätten können dabei Kommunen, Kirchen oder Religionsgemeinschaften sein. Zudem fallen soll die zeitliche Vorgabe für den frühesten Bestattungszeitpunkt. Statt nach mindestens 48 Stunden könnte man Verstorbene künftig schon am nächsten Tag bestatten. Die Regelung der organisatorischen Fragen sollen den Kommunen obliegen. Eine Verlängerung der Nutzungsdauer, das beispielsweise im Islam oder Judentum praktizierte „Recht auf ewige Ruhe“ ist gesetzlich nicht vorgesehen.