Die Kabarettistin Martina Schwarzmann brachte die Kirchheimer Stadthalle an ihre Kapazitätsgrenzen
Wurstgelüste und „Urlaub in da Wasserlacha“

Kirchheim. Wenn die abgedroschene Formulierung eines „bis auf den letzten Platz gefüllten Veranstaltungssaales“ einmal tatsächlich zurecht verwendet werden kann, dann


WOLF-DIETER TRUPPAT

in Bezug auf die samstagabendliche Stadthallenveranstaltung mit Martina Schwarzmann. Nicht nur die Karten, auch die Stühle gingen allmählich zur Neige.

Das eher unglamourös auf der Bühne sitzende „Fernsehsternchen“ kam dann den ganzen Abend über mit erstaunlich wenig Akkorden aus, machte musikalischen Gleichklang aber locker mit entwaffnender Skrupelresistenz und großer Pointendichte wett. Fredl Fesl schätzt an ihr nicht vorrangig ihre Virtuosität und Fingerfertigkeit auf der Gitarre, sondern eher ihr enorm ausgeprägtes Vermögen, unterschiedlichste Lieder mit größtem Erfolg zu immer wieder gleichen Zupfakkorden zu präsentieren

, ohne auch nur eine Sekunde Gefahr zu laufen, ihr stets von Anfang an begeistert mitgehendes Publikum zu langweilen.

Die Vielseitigkeit ihrer Texte zu durchschauen, fällt vor allem dann besonders leicht, wenn man ihre Sprache spricht. Nichtbayern tun sich dagegen gelegentlich schwer, die oft irrwitzigen Pointen in ihrer fast philosophischen Tiefe zu ergründen. Dass ihr ungemein ausgeprägter Wortwitz zuweilen hart an regionale Grenzen stößt, ist sie gewohnt.

In ihrem Einstiegslied „Jeder wart‘ auf irgendwos“ hielt sie spontan inne und schaute tatsächlich fast nur noch in verständnislose Gesichter. Mit viel Geduld ließ sie dann überforderte Hochsprachler und auch verstehensmäßig etwas gehandicapte Schwaben im Publikum wissen, dass der Halbsatz, den sie gerade in breitestem bayerischen Dialekt dem Mikrofon anvertraut hatte, vornehmlich von einem Kamel handelt, das sich sehnsüchtig eine Oase herbeiwünscht.
„‘S Kamel wart‘ auf d‘ Oasen“ ist beim zweiten Versuch dann auch leicht zu verstehen – und dass der große „Kameldurscht“ so schlimm ist, wie die bayerische Sehnsucht nach „Bluad- und Leberwurscht“.

Nicht verwunderlich ist, dass Martina Schwarzmann schon mit der „Goldenen Weißwurst“ und auch mit dem Bayerischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde. Dass längst auch Deutsche Kabarett- und Kleinkunstpreise dazu gekommen sind, hätten ihr Neider auf regionaler Augenhöhe sicher nicht unbedingt zugetraut. Politischer Biss ist bei ihr so gut wie nie herauszuhören, ins philosophisch reichende und an Beobachtungskunst kaum überbietbare Bauernschläue schon eher.

Im oberbayerischen Überacker aufgewachsen, ist Martina Schwarzmann das Kosmopolitisch-Mondäne fremd. Mit mitreißendem Mutterwitz entführt sie das Publikum ohne Gnade ins wildeste Absurdistan und wieder zurück. Hilfe in drohender Verwirrung schaffen dabei immer wieder die eingängigen Akkorde, mit denen sie ihr Publikum durch das charmante Chaos ihrer Erkenntnisse aus dem Alltag führt.

Dass ihr nichts heilig ist, wird rasch deutlich und dass sie als sprudelnder Quell selbstironischer Witze vor allem auch in eigener Sache vor nichts zurückschreckt, adelt die furchtlos tadelnde Kabarettistin zweifellos. Erste Erfolge auf den Kleinkunstbühnen im bayerischen Mikrokosmos öffneten ihr rasch die Türen zu „Ottis Schlachthof“ und damit doch etwas die Tore zur großen weiten Welt des Fernsehens – auch wenn „die Maske“ dann angeblich „ganz schön zaubern musste“.

In ihrem neuen Programm „Wer Glück hat kommt!“ gibt sie sich „Greislig aber voller Hoffnung“, streitet zunächst jede „Ähnlichkeit mit Martina Schwarzmann“ vehement ab und findet Freude daran, sich schlecht zu machen – allerdings nur vor wissendem Publikum. Als friedlicher Mensch ist sie klar gegen Gewalt, würde nie auf jemanden schießen – und wenn, dann auf jeden Fall „nur so a bissl ins Knia“.

Artig gekämmt und aufrecht auf der Bühne sitzend, ist sie doch bis in die tiefste Faser ihre Seele unkonventionell geprägt und fordert „Es muss oam a amoi wos wurscht sei kenna“ das Hohelied der Nonkonformität. Man glaubt ihr aufs Wort, dass sie sich uneingeschränkt für „Urlaub in da Wasserlacha“ begeistern kann, denn da ist bekanntlich alles vollkommen verdreht: Hansi Hinterseer spielt in einer Heavy Metal Band, Alfons Schubeck kocht bei „Kentucky Fried Chicken“ und Boris Becker „is verheiradt mit a kaasigen Dicken“.

Auch wenn Martina Schwarzmann noch nie in Afrika war, macht sie sich doch so ihre Gedanken. Wenn Afrikaner zum Sternsingen gehen, so fragt sie sich voller Neugierde, ob sich dann tatsächlich „Drei von Viere weiß oschmiern miassn“.