Kirchheim. Dekanin Renate Kath, Kirchenpfleger Bernd Kemmner, Pfarrer Jochen Maier und Architekt Matthias Bankwitz haben gestern gemeinsam der Presse vorgestellt, was auf die evangelische Gesamtkirchengemeinde Kirchheim
als Bauherr der Sanierungsarbeiten zukommen wird. Bei dem Gutachten handelt es sich um das Ergebnis umfangreicher Untersuchungen, mit denen das Kirchheimer Büro Bankwitz Architekten im Juli begonnen hatte. „Wir haben die Kirche auf ,Dach und Fach‘ untersucht, aber nur im Hinblick auf den Instandsetzungsbedarf“, sagt Matthias Bankwitz. „Im Gegensatz zu einer Modernisierung geht es hier lediglich da
rum, die Substanz zu erhalten.“
Mögliche Erwartungen, dass die Martinskirche sich nach Abschluss der Arbeiten irgendwann in zehn Jahren in einem völlig anderen Gewand präsentieren könnte, lässt Dekanin Renate Kath deshalb gar nicht erst aufkommen: „Wenn wir dann richtig viel Geld ausgegeben haben, steht hinterher nicht mehr da als das, was jetzt auch schon da ist.“
Den dringendsten Handlungsbedarf sieht Architekt Matthias Bankwitz auf dem Dach. Allein bei der Dachdeckung hat die Untersuchung einen Beschädigungsgrad von 80 Prozent ergeben. Das führt zu entsprechenden Beschädigungen von Balken, Latten und Sparren – durch alles, was Nässe und Feuchtigkeit so mit sich bringen. Zwischen fünf und 25 Prozent liegen in diesem Fall die Beschädigungen. Matthias Bankwitz führt den Schaden am Dach vor allem auf die schlechte Qualität der Ziegel zurück, die Anfang der 1960er-Jahre verwendet wurden. Besonders eklatant sei dies beim Turm der Martinskirche: Wo seinerzeit am Turmdach „neue“ Ziegel eingesetzt wurden, seien die Schäden größer als bei den Flächen, die teils noch mit jahrhundertealten Ziegeln gedeckt sind.
Mit rund 1 500 Quadratmetern Dachfläche weise die Martinskirche mehr als das Siebenfache dessen auf, was ein großzügig dimensioniertes Einfamilienhaus zu bieten hat. Verglichen mit einem einfacheren Reihenhaus handle es sich sogar fast um das Zwanzigfache. Als kurzfristige Maßnahme sollte die Dachsanierung, die brutto bereits knapp 900 000 Euro verschlingen wird, zwischen 2011 und 2013 verwirklicht werden, empfiehlt Matthias Bankwitz.
Mittelfristig gehe es darum, zwischen 2014 und 2017 die Fenster instand
zu setzen und die Natursteinfassade zu sanieren. Die Fenster fallen mit rund 46 000 Euro vergleichsweise „günstig“ aus, während die Fassadensanierung bislang bereits auf 1,4 Millionen Euro veranschlagt ist. Hinzu käme in diesem Fall möglicherweise eine kostenintensive Voruntersuchung, für die alleine schon knapp 170 000 Euro anfallen dürften.
Ein letzter Bauabschnitt wäre schließlich eine Innensanierung, für die Kosten in Höhe von 460 000 Euro veranschlagt sind. Das wäre aber erst langfristig zu verwirklichen, in den Jahren 2018 bis 2020. Aber genau dieser letzte Bauabschnitt wäre es, von dem Kirchenbesucher überhaupt etwas bemerken könnten. Bei den 2,5 Millionen Euro, die zuvor in Dach, Fenster und Fassade zu stecken sind, gibt es kein Ergebnis, das für Laien sichtbar wäre.
Noch nicht einmal bei den jährlichen Heizkosten, die Kirchenpfleger Bernd Kemmner für 2009 auf 13 000 Euro beziffert, wird die Sanierung Geld sparen helfen. Architekt Matthias Bankwitz stellt nämlich explizit fest, dass keine der vorgeschlagenen Maßnahmen der energetischen Ertüchtigung des Gebäudes dient.
Um die Heizkosten zu senken, geht die Martinskirchengemeinde also andere Wege. Anfang dieses Jahres gab es bereits eine komplette Schließung der Kirche für mehrere Wochen. Anfang 2011 wird sich das zwar nicht wiederholen, weil die Martinskirche sowohl für die Kirchheimer als auch für die vielen Besucher von auswärts eine offene Kirche bleiben soll. Dafür kündigt Pfarrer Jochen Maier aber schon einmal für die Monate Januar bis März eine innovative Gottesdienstreihe an: Es handelt sich um sonntägliche Kurzgottesdienste, die um 11.30 Uhr beginnen und nur eine halbe Stunde dauern. Die Sonntagsgottesdienste der Martinskirche stehen in dieser Zeit unter dem Motto „Ziehen Sie sich warm an“. Die Heizung werde dann stark heruntergefahren, und eine halbe Stunde lasse sich mit entsprechender Kleidung auch in einer kälteren Kirche einigermaßen überstehen.
Was die drei Millionen Euro Sanierungskosten angeht, steht die Gesamtkirchengemeinde vor einer immensen Herausforderung. Kirchenpfleger Kemmner zufolge handelt es sich bei dieser Summe um den 1,5-fachen Jahresetat der Gesamtkirchengemeinde. Deshalb hat das Büro Bankwitz auch unterschiedliche Berechnungen aufgestellt, wie sich durch das Zusammenlegen von Bauabschnitten Geld sparen lassen könnte. Das Konzept mit vier Bauabschnitten bis 2020 schneidet dabei aber am besten ab, weil es hier nicht nur um die absoluten Zahlen geht, sondern auch um eine zeitliche Streckung. Eine solche Streckung ist nicht zuletzt auch den Finanzen geschuldet.
Zur Finanzierung kann die evangelische Gesamtkirchengemeinde Kirchheim mit kirchlichen Zuschüssen in Höhe von rund 40 Prozent der Gesamtkosten rechnen. Für die restlichen 60 Prozent ist sie auf Eigenmittel angewiesen, auf städtische und staatliche Zuschüsse sowie auf viele Spender – aber auch auf Ideengeber und Engagierte, die bereit sind, mit ungewöhnlichen Aktionen Geld für die Sanierung zu sammeln. Für die Martinskirchenstiftung kommt der aktuelle Sanierungsbedarf übrigens zu früh, was Bernd Kemmner folgendermaßen auf den Punkt bringt: „Mit Mitteln aus der Stiftung lässt sich vielleicht die nächste Sanierung in 50 Jahren finanzieren.“