Kirchheim. Die Zeit bis zum nächsten Termin, der für 7. Februar vorgesehen war, sei zu lang gewesen, erläutert die Pressestaatsanwältin das Versehen der Richterin. Die Folge: Das Verfahren muss neu aufgerollt werden. Was nicht ganz so schlimm ist, denn an dem Verhandlungstag stellte der Anwalt des Zirkusdirektors etliche Befangenheitsanträge und wollte sogar einen Zuhörer vor die Tür setzen lassen. Verteidiger und Staatsanwalt hätten sich angebrüllt, berichtet ein Zeuge. „Sie haben sich angegiftet“, meint ein weiterer Zeuge. Der Staatsanwalt selbst nannte es rückblickend „eine Verhandlung mit großem Unterhaltungswert“. Um den Inhalt des Verfahrens, nämlich den Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, ging es dabei noch gar nicht.
Verhandelt wird ein lange zurückliegendes Gastspiel in Kirchheim vom 8. bis 12. Oktober 2009. Eine Tierschutzorganisation erstattete damals Anzeige. Tierfreunde zeigten sich entsetzt: Auf dem ehemaligen EZA-Gelände sei alles asphaltiert, in den Ställen sei sehr wenig Stroh gewesen, die vier Elefantenkühe (drei afrikanische, eine indische) habe man an je einem Vorder- und Hinterbein angekettet, sodass ihre Bewegungsfreiheit auf den Gummimatten mit wenig Einstreu minimal gewesen sei. Abliegen sei nicht möglich gewesen. Die Elefanten schaukelten mit Kopf und Körper, was auf eine psychische Störung hinweise.
Bei mehreren Pferden und Kamelen sei das Halfter an der Kehle zu eng gewesen, Mulis und Zebras seien in einem kleinen Freilaufstall auf nacktem Asphalt untergebracht worden. Ein Muli habe gehustet, was auf eine chronische Bronchitis deute. Um diese Vorwürfe wird es vor Gericht aber nicht gehen. „Das wurde bemängelt, aber eingestellt“, sagt Staatsanwältin Claudia Krauth.
Der Staatsanwalt beschränke sich auf die Haltung der acht Großpferde. Die seien in zu kleinen, nicht asphaltierten Boxen gestanden, die nicht eingestreut waren. Markus Wierich, Tierarzt des Veterinäramts des Landkreises Esslingen, ist Sachverständiger in dem Fall. Er war an dem Wochenende nicht selbst vor Ort, sondern hatte die Zeugenaussagen ausgewertet. Je zwei Pferde mussten sich demnach eine knapp drei mal drei Meter große Box teilen und sie seien dauerhaft angebunden gewesen. „Wenn sich Pferde nicht hinlegen können, finden sie keinen Tiefschlaf“, sagt der Tierarzt. „Das ist Tierquälerei.“ Pferde ruhen zwar auch im Stehen, müssen sich aber immer wieder hinlegen.
Africa Big Circus nannte sich das Unternehmen in Kirchheim. Wer den Betrieb im Internet sucht, findet unzählige Berichte über freilaufende und schlecht versorgte Tiere, über nicht genehmigte Gastspiele und Streitereien vor Gericht. Tierschutz-organisationen haben seitenweise Vorfälle und Presseberichte aufgelistet, bei denen es um gefährdete Zuschauer geht, um Tiere, die ohne Wasser und Auslauf gehalten wurden, aber auch um Notrufe, weil Elefanten in Städte trabten und in Mülleimern stöberten.
Weitere Vorwürfe auf den Seiten der Tierschutzorganisationen: Im August 2010 habe ein Elefant in Jena eine Zirkusbesucherin attackiert, einer habe ein Auto beschädigt, einer einen Kinderspielplatz verwüstet. Mitarbeiter eines Ordnungsamts seien 2008 von Zirkusmitarbeitern körperlich angegangen und beleidigt worden. Außerdem finden sich Berichte über illegal in Beschlag genommene und ramponierte Wiesen, ungenehmigte Plakate und den verbotenen Transport eines hochschwangeren Kamels.
Der Zirkus wechselt die Namen fast so schnell wie seine Aufführungsorte. Mal nennt er sich Zirkus Jambo Afrika, dann Don Carlos, Aladin, Hot Afrika, Monte Carlo, Franken-Entertainment oder Varieté-Theater Afrika. Trotz aller Schlagzeilen und Gerichtsverfahren: Zirkusdirektor H. W. und seine Familie haben bisher keine Vorstrafen, sagt Staatsanwältin Krauth.
Ein Prozesstermin steht noch nicht fest, da der Verteidiger beantragt hat, die Vorsitzende wegen Befangenheit abzulehnen. Über diesen Antrag muss zunächst entschieden werden, bevor ein neuer Termin angesetzt wird.