Der Historiker Professor Dr. Bernhard Mann sprach über „Lenningen vor hundert Jahren“
Zurückgeblättert – mit väterlichen Erinnerungen

Der Historiker Professor Dr. Bernhard Mann war im Lenninger Schlössle auf Einladung des Förderkreises zu Gast. Er sprach über die Kindheitserinnerungen seines Vaters an Oberlenningen.

Lenningen. Ein Historiker im Oberlenninger Schlössle – da kommt wissenschaftlicher Adel in die Ortsgeschichte. Darüber breitet sich der Erinnerungsglanz einer Ferienerzählung, geschrieben von einem 20-jährigen Theologiestudenten für seine Braut. Der Förderkreis Schlössle hatte zu einer Adventsmatinee eingeladen: „Lenningen vor 100 Jahren – ein historischer Vortrag von Professor Dr. Bernhard Mann“. Der Emeritus der Tübinger Universität für Neuere Geschichte kommt über die familiären Bindungen mit dem Hause Sigel wie einst sein Vater seit seiner Kindheit ins Lenninger Tal. Vor Jahresfrist hielt er den Festvortrag zum hundertjährigen Bestehen des Einzelhandelsgeschäfts Sigel. Heuer las Bernhard Mann zunächst aus den Erinnerungen seines Vaters: „Das Haus des Großvaters, die Gärten, die Nachbarskinder, die Burgen, die Tiere, das alles war das Lenninger Kindheitsparadies“.

Die zahlreichen Matinee-Besucher machte der Geschichtsprofessor mit den väterlichen Erlebnissen bekannt. Rings um das Schultheißen-Sigelhaus fand der Ferienbub offensichtlich Kameraden bei den Bauern-und Taglöhnerfamilien und teilte mit ihnen den dörflichen Alltag: Er schrieb vom Melken, Backen, vom Heuen und Öhmden, Futterschneiden, vom einfachen Essen aus einer Schüssel und dem Schälen der Kartoffeln mit dem Löffelstiel. Dem angehenden Theologen habe ein Nachbarsbub einmal geraten: „Aber gell, du lüagscht d’Leit amol net so an.“ Die Erzählung gab so einen anschaulichen, sachkundigen und verständlichen Einblick in die bäuerlichen Stuben vor rund hundert Jahren. Bernhard Mann verknüpfte diese väterlichen Kindheitserinnerungen mit einigen lokalen geschichtlichen Ereignissen.

Historische Zusammenhänge der Ortsgeschichte erhellte Bernhard Mann fundiert und kompakt mit einem statistischen Zahlenwerk, mit Zuordnungen und vergleichender Literatur. „Die nüchternen Zahlen muss man wieder herunterrechnen in den Alltag. Ein Beispiel: 80 Prozent der Oberlenninger wohnten damals im eigenen Haus, für das sie ein Lebtag geschafft haben. Aber man war sein oigener Herr“. Von der industriellen Entwicklung des Lenninger Tals durch Unternehmergeist und Eisenbahn, dem Fleiß der Handwerker, Fabrikarbeiter und Bauern, der Schaffenslust ihrer Vorfahren hörten die Heimatkundigen gern.

Ein Jahrhundert zurückgeblättert – da fand mancher seine Familiengeschichte wieder. Noch war damals kein Kriegsgeschrei zu hören, wohl das Donnergrollen. So flocht der Vortragende zu den vielen unterhaltsamen und lehrreichen Beispielen in diesen hundertjährigen Zopf auch den Verlust manch alter Bräuche, die Krisen und Kriege. Sein Vater Wolfgang, der Erzähler vom Lenninger Kindheitsparadies, fiel 1941 im Alter von 34 Jahren im Krieg, als Bernhard vier Jahre alt war. So bleibt für den Tübinger Professor das vergangene Ferienglück im ländlichen Lenningen ein besonderes Vermächtnis.