Holzmaden. Dass man die kleine Gemeinde Holzmaden auch in New York oder Paris kennt, kommt nicht von ungefähr. Aus dem Schieferwerk am Fuße der Alb haben Bernhard Hauff senior (1866 bis 1950) und seine Nachfahren wertvolle Fossilien geborgen und präzise präpariert. Schätze aus der Holzmadener Werkstatt wie komplett erhaltene Ichthyosaurier-Versteinerungen, Urzeitkrokodile, Schmelzschuppenfische oder wogende Seelilienfelder bereichern weltweit Museen und Sammlungen. Und eröffneten Paläontologen die Möglichkeit zu vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Leben im Jurameer.
Die Begeisterung für die versteinerten Überreste des Jurameers, das vor 180 Millionen Jahren Alb- und Albvorland bedeckte, sie packte Hauff senior bereits in jungen Jahren. Im Schieferwerk seines Vaters Alwin, der hier anfangs Schieferöl erzeugt und später den Stein bricht, findet er immer wieder interessante Einschlüsse, die er anfangs mit einfachsten Werkzeugen freilegt. Bald schon werden die Tübinger Geologieprofessoren Friedrich August Quenstedt und Oskar Fraas vom Königlichen Naturalienkabinett Stuttgart auf den jungen Hauff aufmerksam, fördern ihn. Es sollte der Grundstein langer und tiefer Beziehungen der Werkstatt Hauff zu den bedeutenden Lehrinstituten weltweit sein.
Immer genauer werden seine Präparationen mit den Jahren. Schließlich gelingt dem Holzmadener, was kaum ein Wissenschaftler bis dahin für möglich gehalten hatte: Hauff legt Hautreste einer Ichthyosaurier-Finne frei. 1892 legt er gar die vollständige Hautbekleidung eines Stenopterygius frei und erlaubt somit erstmals fundierte Rückschlüsse auf das Aussehen der Art.
Doch es ist nicht nur die feine und exakte Präparation, die Hauff zu einem geschätzten Partner für Wissenschaftler macht. Präzise wie seine Arbeit an den Versteinerungen sind auch die Dokumentation von Fundstelle, Tiefe und Lage. Seine Beobachtungen über den Posidonienschiefer füllen Notizbücher. Den Mann, der nie eine Universität besuchte und all sein Wissen aus den Beobachtungen und seiner Arbeit zog, ehrt die Universität Tübingen 1921 mit dem Ehrendoktortitel.
Die Menschen an den Schätzen teilhaben zu lassen und ihnen die Faszination für die Versteinerungen weiterzugeben, die er aus dem Boden Holzmadens in mühsamer Kleinarbeit freilegte, war Hauff stets ein Anliegen. Besucher waren in seinem Atelier stets willkommen – egal, ob es ein Professor von Rang aus Tübingen war oder ein junger Fossilienfan aus der Nachbarschaft.
Zusammen mit seinem Sohn Bernhard, der längst in die Fußstapfen des Vaters getreten ist, geht für den Senior der Traum 1937 in Erfüllung: Erstmals können Stücke aus der einzigartigen Sammlung, die Vater und Sohn zusammengetragen haben, präsentiert werden. Das kleine Museum stößt jedoch schon bald an die Grenzen seiner Kapazität. Deshalb treibt Bernhard Hauff junior (1912 bis 1990) bereits Anfang der 60er Jahre die Pläne für einen Neubau voran, in dem auch die Didaktik stärker im Fokus stehen soll.
„Eine Mission“, eine selbstverständliche Pflicht sei es sowohl seinem Großvater als auch seinem Vater gewesen, die Meereswelt der Jurazeit – in allen Präparaten vom kleinsten Krebs bis hin zum 100 Quadratmeter großen Seelilienfeld – für die Mitmenschen fassbar zu machen. So beschrieb Rolf Bernhard Hauff am Samstag bei dem großen Festakt zum 75-jährigen Bestehen des Urweltmuseums.
Die Faszination, die Großvater und Vater angetrieben haben, trägt in der Familie Hauff bis heute. Nicht nur bei Rolf Hauff, der das Museum weiter ausbaute und wie Vater und Großvater den Weg zur Präparation und Paläontologie fand. Und auch (Ur)Enkel Bernhard übernimmt zum Festtag in Museum bereits Verantwortung.
„Ich freue mich, dass die nachfolgende Generation hier steht“, sieht Landrat Heinz Einiger die Zukunft des außergewöhnlichen Museums gesichert. Das Museum und die Familie Hauff seien zwei Glücksfälle „für die Paläontologie und für unseren Landkreis“, dankte der Kreischef in seinem Grußwort der Familie für ihr außergewöhnliches Engagement.
Schon als Kind hat es so manchen der Ehrengäste ins Museum der Familie gezogen. So auch Gert Hauschild, der am Samstag Bürgermeister Jürgen Riehle vertrat. „Schon als kleiner Bub hat mich das Haus am Ortsende fasziniert“, gibt er zu. Nicht so sehr wegen den Sauriern und den anderen Fossilien freilich, sondern wegen der Rehe und Kitze, die der passionierte Jäger Bernhard Hauff hier pflegte und aufpäppelte. Erst später habe er die Exponate aus den Schieferbrüchen bestaunt. Mit Stolz sehe er heute, was sich aus den bescheidenen Anfängen entwickelt habe, betonte er in seinem Grußwort. „Sie haben den Namen Holzmaden bekannt gemacht“, so sein Dank an die Familie Hauff.
In den dicht besetzten Gästereihen fehlten neben Vertretern aus Politik und Wirtschaft auch langjährige Weggefährten aus der Geologie und Paläontologie nicht. „Tübingen hat stark von Holzmaden profitiert“, bedankte sich Professor Frank Westphal für die Jahrzehnte währende Zusammenarbeit der Hauffschen Werkstatt mit dem Institut. Unzählige Studenten sind sowohl im Museum als auch in der Präparatoren-Werkstatt bereits ein- und ausgegangen. Das umfangreiche Archiv des Hauses Hauff steht den Wissenschaftlern stets offen. „Viele Forschungsarbeiten sind überhaupt nur wegen der Arbeit und der Funde Hauffs möglich“, betonte er.
Nicht das Leben im Jurameer, sondern die Entwicklung der Primaten rückte Festredner Dr. Wolfram Rietschel in den Fokus. In einem launigen wie kurzweiligen Vortrag gab der ehemalige Tierarzt der Stuttgarter Wilhelma den Festgästen einen Crashkurs zur Entwicklung unserer nächsten Verwandten, den Affen: vom nicht einmal 100 Gramm schweren Seidenäffchen bis zum mächtigen Gorilla. Gespickt war das Referat mit Anekdoten und Fotos aus seiner langjährigen Arbeit als Zootierarzt und seinen Besuchen der Berggorillapopulationen in freier Wildbahn. „Als Rentner kommt man halt viel rum“, scherzte der aus dem Fernsehen bekannte Tiermediziner, der sich stark für den Schutz und die Arterhaltung einsetzt.