Kirchheim. Mit Pizzicato begann es und mit dieser schwierigen Orchestertechnik endete es auch, das Serenadenkonzert des Volkshochschulorchesters im Kirchheimer Schlosshof: Zwischen diesen von der Dirigentin Sabine Bruns wieder einmal
bestechend präzise exekutierten Streicherschlägen lagen zwei Stunden des Entzückens und Bangens, wie es nicht anders sein kann bei der Schlosshofserenade. Mal fuhr der Wind in die Dirigierpartitur, mal in die Notenblätter der Spieler, doch noch schlimmer trieb es die Sonne: nicht nur dass sie manche Spieler blendete, sie verwandelte das Messing der Hörner in heiße Backbleche – mit entsprechenden Folgen. Doch viel verhängnisvoller diesmal war der Publikumsandrang. Für das Volkshochschulorchester zwar ein gewaltiges Plus, aber für die Infrastruktur der Schlosshofes der Super-GAU. Weil Besucher ohne zu zahlen durch die Hintertür einsickerten, mussten Interessenten an der Kasse wegen Überfüllung wieder weggeschickt werden. Für die armen Orchesterspieler, die höchstselbst Stühle aus den Schlossverliesen heraufschleppen mussten, alles andere als eine Serenade, eher ein Trauerspiel.
Es ist geradezu ein Wunder, dass nach diesem Stress noch mitreißende Musik geboten wurde: Opernmusik, Ouvertüren und Arien von Rossini, Verdi, Saint Saëns und so weiter. Sabine Bruns hat mit dieser Programmauswahl die Ehre Kirchheims als musikalische Eventstadt gerettet. Im Umkreis, der gleich bei Nürtingen beginnt, wird ja geopert was das Zeug hält. In Kirchheim kommt das hoffentlich vielleicht nächstes Jahr dann zum 300. Geburtstag von Christoph Willibald Gluck. Heuer bekamen die Besucher schon einmal einen bunten Strauß von Knallern aus dem romantischen Opernrepertoire zu hören; das begeisterte Publikum war hingerissen.
Doch mit Ouvertüren allein lässt sich kein Opernkonzert bestreiten, Sänger gehören dazu. „Warum denn in die Ferne schweifen“, hatte sich Sabine Bruns wohl gesagt, und engagierte die in Kirchheim wohlbekannte und geschätzte Mezzosopranistin Cecilia Tempesta, die inzwischen am Badischen Staatstheater Karlsruhe tätig ist. Sie hatte die schwere, aber auch dankbare Aufgabe, Opernflair zu verbreiten: ohne Bühne, ohne Handlung, ohne den emotionalen Zusammenhang eines Werkes. Dank ihrer phänomenalen Stimme ist ihr das auch gelungen: dramatisch, lyrisch, traurig – eine bewundernswerte Leistung. Die Sängerin wurde getragen von Sabine Bruns, die sich gleich zu Beginn bei dem schwierigen Rezitativ von Donizetti als eine veritable Opernkapellmeisterin erwies und den Laden mit eiserner Hand zusammenhielt. Auch das Orchester fand sich schnell in die ungewohnte Orchestergrabenrolle hinein und genoss es sichtlich, eine professionelle Diva zu begleiten.
Die farbige Instrumentierung tat ein Übriges. Endlich konnte die prächtige Posaunengruppe einmal zeigen, was sie drauf hat, die Trompeten sowieso – besonders beim Triumphmarsch aus Aida –, aber auch die Holzbläser waren in Hochform: Oboe, Flöte, Klarinette, Piccolo, um nur einige zu nennen. Das Beste aber war der unglaublich gute Pauker, es muss ein Profi gewesen sein. Er hat die mächtig gewachsene Truppe gut zusammengehalten: vier Kontrabässe, zehn Cellisten, wenn ich recht gezählt habe, und eine Heerschar von Geigen und Bratschen – beste Voraussetzung um den romantischen Orchesterrausch so richtig auszukosten. Nur wenn die Musik einmal nicht rauschte, sondern murmeln oder glitzern wollte, musste es Abstriche geben. An solchen Stellen hätte man sich ein kürzeres Programm gewünscht. So schön das abschließende Orchesterstück „Phaéton“ von Saint Saëns auch war, dieser Abgang war so wenig überzeugend wie der mäßige Verkaufserfolg des gleichnamigen Automodells. Die Länge eines Programms bemisst sich ja nicht nur nach dem Aufnahmevermögen der Zuhörer, sondern auch nach der Spannkraft und Probezeit des Orchesters. Am Sonntag lag das Publikum den Musikern zu Füßen, oder anders gesehen, es stand hinter ihnen. Nun ist zu hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Denn umsonst ist halt nichts zu haben, nicht einmal ein Liebhaberorchester.