„Pitt“ Haug und Julius Pischl eröffnen im „Weißen Ochsen“ eine Weinstube, Pianobar und Kleinkunstbühne
Zwei Urgesteine betreten neues Terrain

Mit „Pitt“ Haug und Julius Pischl, die am morgigen Donnerstag ab 18 Uhr zur Eröffnungsparty in die „Weinstube Weißer Ochsen im Ochsengässle“ laden, machen zwei Neuzugänge auf sich aufmerksam, die sehr ambitionierte Pläne verfolgen.

Kirchheim. Blauäugigkeit kann man den Newcomern nicht unterstellen, denn sie haben beide durchaus schon ein großes Stück Leben hinter sich und wissen genau, was sie wollen. „A schwäbische Weinstub‘ en d’r Stadt“ ist ihr erstes Ziel, dem weitere folgen sollen. Neben der am Donnerstag Premiere feiernden „Weinstube im Weißen Ochsen“ will sich das Duo auch um den „Unterbau“ kümmern. Das ehemalige „Mona Lisa“ wird zur Piano-Bar „Pianino“ mit dem dazugehörenden „Höfle“ und der „Scheuer“, die zur Kleinkunstbühne werden soll. Im geplanten musikalisch-kulinarisch und literarisch-kabarettistisch geprägten Unterhaltungs- und Wohlfühl-Angebot lautet das Ziel, „für Älle von Ällem ebbes“ bieten zu wollen.

Trotz vieler Berührungspunkte sind die beiden Urgesteine der Stuttgarter Jazz- und Literaturszene „Pitt“ Haug und Julius Pischl zunächst eher unterschiedlichen Lebenswegen gefolgt. Hans-Peter Haug machte „beim Daimler“ zunächst eine Maschinen- und KFZ-Schlosserlehre und schloss eine Ausbildung zum Technischen Industriekaufmann direkt an. Dass er dann ausgerechnet in der Gastronomie reüssierte, spricht für Flexibilität und Weitblick. Als Drummer gewohnt, gute Ideen reflexartig umzusetzen, beschloss er noch während eines Auftritts mit seiner Band in der legendären Stuttgarter „Atlantic Bar“, kurz „At“ genannt, den Laden einfach zu übernehmen. Unter Haugs Leitung wurde die Szenekneipe zum führenden Jazz-Lokal.

„Pitt“ Haug kann stolz auf drei Gastspiele von Chet Baker in seinem 1 200 Menschen fassenden Lokal verweisen, in dem auch Wolfgang Dauner und Albert Mangelsdorff ein und aus gingen und Erwin Lehn mit Band zur Eröffnung spielte. Vom Geheimtipp entwickelte sich das „At“ zur Legende und geriet in den 80er-Jahren mit dem Ende der „jazzigen Zeiten“ in genauso große Turbulenzen wie der durch eine Krebs-Diagnose unbarmherzig aus dem Erfolgskurs geworfene Macher „Pitt“ Haug.

Sein Abtauchen wurde in der ohne ihn ärmer gewordenen Stuttgarter Szene sehr wörtlich genommen. Hoch gehandelt wurde das Gerücht, der leidenschaftliche Segler sei tatsächlich untergegangen. Über zehn Jahre war Pitt Haug in spanischen Gefilden verschollen, kehrte dann aber überraschend wieder zurück ins Schwabenländle, dessen traditionelle Küche er auch in Kirchheim hochhalten und um seine patentierten „Schwapas“ – schwäbische Tapas – bereichern will.

Als vor etwa sechs Jahren der als Moderator des City-Swing-Festivals agierende Julius Pischl den verschollen geglaubten Freund in der Menge entdeckte und aufgeregt in die Menge rief „D’r Haug isch wieder da“, war dessen Gedanke eines nur kurzen Besuchs rasch ausgeträumt. Pitt Haug war nicht nur gesund, sondern, wie der Empfang ihm zeigte, endlich wieder zu Hause.

Kirchheim und die Bastion kennt er noch aus Drummer-Zeiten. Diese guten Erinnerungen sorgten dafür, dass der begeisterte Segler in der bekannten Fliegerstadt den Anker setzt. Es überrascht nicht, dass Bücherwurm Julius Pischl, der früher in Stuttgart einen eigenen Buchladen hatte, leicht zu begeistern war für ein gemeinsames Projekt in der durch Hermann Hesses Schwärmereien für „Lulu“ zu literarischer Unsterblichkeit erhobenen Kastanienstadt.

Der musikbegeisterte Bücherwurm hatte den 16 Jahre älteren Herrscher der Stuttgarter Jazz-Szene schon während seiner Buchhändlerlehre kennengelernt. Bei seiner Oma lebend, hatte Pischl nicht viel Gelegenheit, das Nachtleben kennenzulernen. Da er immer gerne an den Lüftungsschächten des „At“ innehielt, um die dort gespielte Musik zu genießen, wurde er eines Tages vom Hausherrn „gestellt“. Erfreut über Pischls Interesse an der Musik sagte der deutlich ältere „Pitt“ Haug „dem Bub“, er solle seine Oma fragen, ober er nicht zwei Nächte die Woche bis 23 Uhr wegbleiben darf und engagierte seinen jüngsten Stammgast als festen Mitarbeiter, dem er sich auch heute noch sehr verbunden fühlt.

Verbunden fühlen sich aber auch viele andere Weggefährten des eins­tigen Machers der Stuttgarter Musik­szene, der sich mit Julius Pischl gemeinsam anschickt, nicht nur eine Weinstube mit traditioneller schwäbischer Küche zu eröffnen, sondern vor allem auch im „Pianino“, in der „Scheuer“ und im „Höfle“ an Stuttgarter Zeiten zu erinnern. Mit ihrer schon seit Jahren durch die Lande tourenden Kleinkunstbühne „Podium Z53“ wollen die beiden Kabarett und Comedy, Mundart, Musikalisches und Literarisches genauso auf die Bühne bringen wie Livemusik von Swing und Folklore bis hin zu Jazz, Blues und Klassik. Auch wechselnde Kunstausstellungen sind geplant, wobei Arbeiten von Loriot den Auftakt bilden werden.