Direktionsleiter Hans-Dieter Wagner wünscht sich für Umsetzung mehr Zeit – Pochen auf sozialverträgliche Lösungen
Zweifel am Zeitplan für die Polizeireform

Das große Stühlerücken ist zwar noch einmal um ein halbes Jahr verschoben worden. Ab Januar 2014 soll die landesweite Polizeireform, die für Esslingen mit dem Verlust seiner Polizei­direktion verbunden ist, aber umgesetzt werden. Der Leiter der Esslinger Direktion, Hans-Dieter Wagner, ist ein ­Befürworter der Reform, hält den Zeitplan aber für „sehr sportlich“.

Kreis Esslingen. Etwa 100 Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz im Moment noch an der Agnespromenade in Esslingen haben, müssen ab 2014 entweder nach Reutlingen pendeln, wo der künftige Sitz der Polizeidirektion (PD) sein wird, oder sich eine neue Aufgabe suchen. Betroffen sind etwa 50 Mitarbeiter aus dem Verwaltungsbereich sowie der komplette Führungs- und Einsatzstab, darun­ter auch Polizei-Chef Hans-Dieter Wagner: „Ich hätte nie gedacht, dass ich der letzte Esslinger PD-Leiter sein werde“, sagt er. Wohin es ihn drei Jahre vor seiner Pensionierung verschlagen wird, weiß er im Moment ebenso wenig wie seine Kollegen.

Trotzdem ist Wagner ein erklärter Befürworter der Reform. Esslingen als eine der großen PDs im Land hätte den Zusammenschluss mit Reut­lingen und Tübingen aus seiner Sicht zwar nicht unbedingt gebraucht, grundsätzlich hält Wagner es aber für richtig, größere und damit schlagkräftigere Einheiten zu bilden. Als Beispiel nennt er den tödlichen Bandenstreit in der Entengrabenstraße im Dezember: Um dieses Verbrechen mit 30 bis 40 Beteiligten rasch aufzuklären, wurde eine Sonderkommission mit mehr als 30 Beamten gebildet. „Eine kleinere Polizeidirektion hätte dafür gar nicht die personellen Möglichkeiten“, sagt Wagner. Die vor allem von CDU-Politikern geäußerte Sorge, die Verlegung der Polizeidirektion nach Reutlingen könnte sich negativ auf die Sicherheit im Land­kreis auswirken, teilt er nicht. Abgezogen würden lediglich Führungsstab und Verwaltung: „Die Reviere sollen stellenmäßig ja sogar bessergestellt werden“, sagt Wagner. Pro Revier seien zwei zusätzliche Beamte für den Streifendienst vorgesehen.

Bedenken hat der Polizeichef hingegen, was den Zeitplan angeht: „So ein Verfahren braucht Zeit“, sagt er. In Bayern habe eine ähnliche Reform fünf Jahre gedauert. Schon der technische Aufwand, um in Reutlingen ein funktionierendes Führungs- und Lagezentrum für drei Landkreise aufzubauen, sei enorm. Auch die Umverteilung des Personals steht erst ganz am Anfang: Am 15. März startet ein sogenanntes Interessenbekundungsverfahren. Alle Mitarbeiter, unabhängig davon, ob ihre Stelle wegfällt oder nicht, haben dann die Möglichkeit, bis zu drei Wünsche für ihr künftiges Aufgabengebiet zu äußern und auch einen Bereich oder Ort zu nennen, wo sie auf keinen Fall eingesetzt werden wollen. Eine Personalkommission, deren Besetzung bis jetzt noch unklar ist, soll dann entscheiden, wer künftig wo seinen Arbeitsplatz hat.

Bei den Mitarbeitern sorgt der Schwebezustand natürlich für Unruhe: „Die Leute sind sehr betroffen“, sagt der Personalratsvorsitzende Peter Mangel. Vor allem den älteren Kol­legen sei es nicht zuzumuten, umzuziehen oder bis zu zwei Stunden pro Tag für die Fahrt zum Arbeitsplatz und zurück aufzuwenden. „Der Innenminister hat eine sozialverträgliche Lösung zugesichert. Ich hoffe, dass er dazu steht“, sagt Mangel. Der Personalrat hofft, dass ein Teil der älteren Mitarbeiter die Möglichkeit bekommt, bis zur Pensionierung am alten Standort zu bleiben und die Stellen erst bei einer Neubesetzung verlagert werden. In Einzelfällen, etwa bei Mitarbeitern aus dem EDV-Bereich, könnte sich Mangel auch Heimarbeitsplätze vorstellen: „Das ist etwas, was es bei der Polizei bisher noch gar nicht gab.“

Hans-Dieter Wagner schätzt, dass nur etwa ein Drittel der betroffenen Kollegen nach Reutlingen wechseln will, die Mehrheit dürfte sich um eine Stelle in der Region bemühen. Der Polizeichef hofft, dass es gelingt, die meisten Verwaltungsangestellten, da­runter viele Frauen in Teilzeit, auch künftig im Kreis Esslingen unterzubringen, etwa im Schreibdienst auf den Revieren. Für die Polizeibeamten aus dem Führungsstab könnten sich beim LKA oder in den Präsidien Stuttgart und Göppingen Alternativen auftun. Klar ist für Wagner allerdings auch, dass am Ende nicht jeder glücklich sein wird: „Es dürfte auch hier die Kindheitserfahrung gelten, dass Wünsche nicht immer erfüllt werden können.“