Wiesensteig. „Ich stehe dem Baumwipfelpfad eher kritisch gegenüber“, sagt Achim Braun aus Wiesensteig. Der 44-Jährige hält die Vorteile, die das Projekt für das Städtchen mit sich bringen würde, für überschaubar. „Die Gewerbesteuereinnahmen und die Arbeitsplätze durch den Baumwipfelpfad sind zu vernachlässigen.“ Das zeige der bestehende Pfad in Neuschönau im Bayerischen Wald. Außerdem könne auch die örtliche Gastronomie nur geringfügig profitieren. Denn die Touristen würden den großen Gastronomiekomplex vorziehen, der direkt beim Baumwipfelpfad geplant ist. „Wenn es nur ein Kiosk wäre, dann würde es vielleicht anders aussehen“, gibt Achim Braun zu bedenken.
Noch keine Meinung zum geplanten Baumwipfelpfad hat sich bislang Karin Herbster-Thumm gebildet. „Ich kann die Argumente der Gegner und der Befürworter nachvollziehen. Es ist sehr schwierig“, sagt die 38-Jährige. Wiesensteig benötige auf der einen Seite dringend etwas, um attraktiver zu werden. Andererseits sieht sie aber auch ein „Verkehrsproblem“ auf ihre Heimatstadt zukommen. Es wäre „bestimmt schön“, den Baumwipfelpfad zusammen mit ihren vier, sieben und zehn Jahre alten Kindern zu besuchen. „Aber andererseits schaue ich mir die Natur auch gerne von unten an“, sagt sie schmunzelnd. Beim Bürgerentscheid am 7. Oktober will die 38-Jährige auf jeden Fall ihre Stimme abgeben. Bis dahin muss sie sich entscheiden. Eine Hilfestellung erhofft sie sich dabei vor allem von der Bürgerinformationsveranstaltung am 11. September im Wiesensteiger Schloss.
Ähnlich ergeht es Albert Baumeister aus Wiesensteig: Auch er weiß noch nicht, wo er am 7. Oktober sein Kreuzchen machen wird. „Ich warte die Infoveranstaltung ab“, sagt der 64-Jährige. „Insgesamt frage ich mich: Bringt der Baumwipfelpfad für den Ort selbst etwas?“. Diese Frage müsse er eigentlich mit Nein beantworten, denn der Pfad liege am Ortsrand Wiesensteigs und an der Gemarkungsgrenze zum Kreis Esslingen. „Wenn die Besucher des Baumwipfelpfades nach drei, vier Stunden noch etwas unternehmen wollen, dann zieht es sie eher zum Blautopf, zur Bobbahn nach Donnstetten oder zum Kletterwald nach Laichingen.“ Allerdings könne der Baumwipfelpfad Wiesensteig auch attraktiver machen. Albert Baumeister will nun noch die Ergebnisse des Verkehrsgutachtens abwarten, das der Landkreis Göppingen in Auftrag gegeben hat, und dann seine Entscheidung treffen.
„Ich erhoffe mir durch den Baumwipfelpfad mehr Kunden“, sagt hingegen Ralf Hülsemann aus Münsingen, der in Wiesensteig ein kleines Lebensmittelgeschäft betreibt. Er kann zwar die Anwohner verstehen, die Angst vor zu viel Verkehr durch den Baumwipfelpfad haben. Dennoch könnte der Handel in Wiesensteig von dem Projekt profitieren.
Ganz klar für den Baumwipfelpfad spricht sich Karla Weimper aus Wiesensteig aus: „Er ist eine Chance – und diese sollte man nutzen.“ In Wiesensteig sei oft „tote Hose“. Touristen im Ort würden hingegen für mehr Leben sorgen. Auch die Gastronomen könnten vom Baumwipfelpfad profitieren, ist die 51-Jährige überzeugt. Sie findet den geplanten Pfad „optisch sehr schön“. Ein Verkehrschaos befürchtet sie nicht. „Ich glaube nicht, dass es so wild wird. Der Baumwipfelpfad wird zu sehr mit einem Vergnügungspark wie Rust verglichen. Das ist er aber mit Sicherheit nicht.“ Der Pfad wäre vielmehr eine „ruhigere Angelegenheit“, der zum Beispiel mit dem Kletterwald in Laichingen zu vergleichen sei.
Fotos: Jean-Luc Jacques