Deborah und Stephan Winkler besuchten beide mehr als ein Jahrzehnt lang die Kirchheimer Musikschule
Zwischen Kirchheim und New York

Kirchheim. Beim Vorspiel von Schumanns Kinderszenen saßen sie als Teenager bereits nacheinander am Flügel – allerdings hatten sie damals


noch keine Ahnung voneinander. Deborah Schöller und Stephan Winkler besuchten beide mehr als ein Jahrzehnt lang die Kirchheimer Musikschule – erst Jahre später verliebten sie sich ineinander.

Deborah Schöller nahm den „klassischen Weg“: musikalische Früherziehung, Blockflötenunterricht bei Gertrud Junker, später wechselnd mit Gesang und Klavier bei Bertram Schattel. Die begabte Schülerin spielte beim Podium und schnupperte Wettbewerbsluft, brachte Preise nach Hause von „Jugend musiziert“ und vom „Kirchheimer Musikpreis“. Zudem sang sie als begeistertes Jungscharmitglied in Gospelchören und Bands und leitete noch bis ins Jahr 2008 Chöre des Liederkranzes Nabern und des MGV Bissingen.

Die sympathische 32-Jährige, deren Mutter aus Indonesien stammt, berichtet von bewegenden Auftritten bei den Celebration-Events in der Stadthalle und großen Jugendgottesdiensten in der Stuttgarter Stiftskirche. Die solide Ausbildung an der Musikschule gab ihr die Grundlage für vielfältiges Musizieren, und so bewegte sie sich ebenso gewandt auf dem Gebiet der Populärmusik.

Mit sechs Jahren begann auch Stephan Winkler, Musik zu machen. Nach der musikalischen Früherziehung erhielt er Klavierunterricht bei Elisabeth Wolffram. 13 Jahre blieb er dabei, nahm am Podium und diversen Vorspielen teil, sang auch später noch im Projektchor. Doch da er sich schon früh fürs Programmieren begeisterte, bereits in der Schulzeit bei „Jugend forscht“ und weiteren Wettbewerben erfolgreich war, steuerte er auf das Studium der Mathematik zu.

Für seine zukünftige Frau hingegen stand die Entscheidung lange nicht fest. Schließlich folgte sie dem Wunsch nach einem Beruf, der viele ihrer Stärken vereint, und begann mit dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Hohenheim. Die Idee, Musik zum Beruf zu machen, lockte zwar, doch wollte sie ver­hindern, dass das Musizieren zur Pflicht würde. So findet man auch heute in ihrer Wohnung in Brooklyn ein E-Piano, ein Mikrofon und eine Blockflöte – alles unverstaubt.

Die Emotionalität der Musik und die Erlebnisse auf der Bühne waren prägend, da sind sich die beiden einig. Und auch wie Musik Brücken schlagen kann, haben sie erlebt. Dass Musik ein wertvoller Teil ihres Lebens ist, steht für die beiden außer Frage.

Während Deborah Schöller noch in Hohenheim an ihrer Dissertation schrieb, führte sie weiterhin ihre Chöre. Stephan Winkler studierte in Cambridge, promovierte in Yale. Nur in Kirchheim kreuzten sich ihre Wege. Als es funkte im Jahr 2006, lebten die beiden auf verschiedenen Kontinenten. Dabei waren sie sich so oft über den Weg gelaufen, erzählen sie schmun­zelnd. Ob Schüleraustausch, Vorspiele, Wettbewerbe, Schülerakademien – ihre Aktivitäten waren fast dieselben, nur zeitversetzt.

So blieb nur eines: pendeln. Stephan Winkler nahm eine leitende Stellung im Wertpapierhandel bei einer Großbank an und beschäftigt sich heute mit Risikomanagement. Mitte 2008 gab sich das Paar das Ja-Wort, und Deborah – nun Winkler – zog zu ihrem Mann nach New York. Dort begann sie als Ökonomin bei der Weltbank. Als Spezialistin auf dem Gebiet des Außenhandels begleitet sie nun Projekte, welche die Wettbewerbsfähigkeit von Entwicklungsländern untersuchen. Erst im vergangenen Jahr stand Indonesien auf dem Prüfstand. Sie freut sich, auf diese Art für ihr „Mutterland“ etwas tun zu können. Doch der Beruf erlaubt wenig Aktivitäten außerhalb. Die mehrstündigen Fahrten zwischen der Weltbank in Washington und ihrem Wohnsitz in New York kosten Zeit und Energie. „Diese Stadt ist schnell und intensiv“, ergänzt ihr Mann. Man müsse flexibel sein, Wege in Kauf nehmen, manche Wünsche zurückstellen. Sie betrachteten diese Zeit als Lernphase, fügt der 34-Jährige hinzu.

Kurz darauf erzählen beide strahlend von den Vorzügen der Teckstadt. Und Stephan Winkler meint, dass Kirchheim sich „glücklich schätzen könne, so eine Musikschule zu haben“. Interessiert fragt er nach dem Förderverein der Schule, denn von den Amerikanern habe er die „Kultur des Spendens“ gelernt. Dass die Ehemaligen etwas zurückgeben, sei Ehrensache.

Nischen zum Auftanken und Entspannen findet das Paar auch in Big Apple: kürzlich das Konzert der New York Philharmoniker im Central Park, wo man in gemütlichem Open-Air-Ambiente die Livemusik genießt. Oder das Fahrradfahren an der Westseite von Manhattan. Die Lebensqualität in New York habe sich verbessert, erklärt Stephan Winkler, der schon fünf Jahre in der Metropole lebt. Sicherheit, Grünflächen, Verkehr, Gast­ronomie – in vielen kritischen Bereichen gebe man sich sehr viel Mühe.

Deshalb war die Freude groß, als die Winklers den hoch gelobten Gospelchor in ihrem Viertel entdeckten. Ein musikalischer Genuss sei es, in diese Gottesdienste zu gehen und 300 Leute unterschiedlichster Nationalität singen zu hören. „Ein Traum wäre es, in diesem Chor zu singen“, schwärmt Deborah Winkler.

Doch die Musik lebt weiterhin bei den Winklers. Sei es, dass er sie mit einem heimlich einstudierten Chopinstück überrascht oder sie so selbstverständlich singt wie sie atmet. Musik sagt eben mehr als tausend Worte, und diese Sprache sprechen beide.