Lokalsport
Ein Moment für die Ewigkeit

Rückblende Unseren Mitarbeiter Klaus Schlütter verbinden ganz persönliche Erinnerungen mit dem Ausnahmefußballer Pele´.

Lang, lang her, die Fußball-WM in Mexiko. Mehr als 52 Jahre. Die erste von zehn, über die ich als Sportreporter berichten durfte. Verblasste Erinnerungen daran sind durch den Tod von Pelé schlagartig wieder lebendig geworden.

Klaus Schlütter

Für das Endspiel 1970 zwischen Brasilien und Italien im Aztekenstadion in Mexiko-Stadt wurde mir Platz 17, Reihe 23, zugewiesen. Hoch droben auf der Tribüne und fernab vom Geschehen auf dem Rasen – für mich nicht erstrebenswert. Ich wollte die Stars hautnah erleben. Vor allem die Legende mit bürgerlichem Namen Edson Arantes do Nascimento, den alle Welt nur „Pelé“ nannte und als größten Fußballer seiner Zeit beschrieb. „Wetten, das schaffst du nie!“ unkten meine deutschen Kollegen, denen ich meinen Plan verriet.

Ich fuhr in die Stadt zu einem Senhor de la Torre. Als Präsident des Roten Kreuzes hatte er die heikle Aufgabe, fürs Endspiel ein dutzend Sanitäter für den Dienst im Stadion-Innenraum auszuwählen. Ich äußerte den Wunsch, dabei zu sein. Der Senhor wiegte bedenklich den Kopf, murmelte etwas von deutschen Vorfahren und gab nach reiflicher Überlegung schließlich sein „okay“.

Geschafft! Das war die heiß ersehnte Innenraum-Karte fürs WM-Finale, die außer mir als zweiter Deutscher nur Schiedsrichter Rudi Glöckner aus der damaligen DDR in der Tasche hatte. Die Fifa hatte ihn nominiert, nachdem unsere Nationalelf mit Beckenbauer, Seeler, Müller und Co. im „Spiel des Jahrhunderts“ mit einem 3:4 gegen Italien das Endspiel knapp verpasst hatte.

Schade, in greifbarer Nähe am Spielfeldrand hätte ich natürlich viel lieber mit meinen Landsleuten gefiebert. Aber so kam ich in den Genuss, ein Fußballgenie hautnah zu erleben: Pelé. Nur 1,73 Meter groß, aber sprungstark wie ein Känguru. Die erste Kostprobe erlebten 80 000 im Aztekenstadion beim 1:0, als er Italiens Torwart Albertosi mit einem wuchtigen Kopfball keine Chance ließ. Er hatte Spielwitz, war schnell und schussstark mit beiden Beinen. Einfach ein kompletter Spieler, „O rei de futbol“, der Fußballkönig seiner Zeit. Den passenden Spruch lieferte sein Gegenspieler Tarcisio Burgnich: „Vor dem Endspiel sagte ich mir: Pelé ist auch nur aus Fleisch und Knochen, so wie ich. Danach erkannte ich, dass ich Unrecht hatte“.

Nach dem kraftraubenden Halbfinale gegen Deutschland waren die Italiener zu erschöpft, um gegen die furios aufspielenden Brasilianer ernsthaften Widerstand zu leisten. Pelé krönte seine Leistung mit den Vorlagen zum 3:1 durch Jairzinho und zum 4:1 durch Carlos Alberto. Nach dem Schlusspfiff gab‘s kein Halten mehr. Pelé wurde auf den Schultern von Mitspielern durchs Stadion getragen. Im Schlepptau von jubelnden Fans, die es durch die Polizeiabsperrung auf den Platz geschafft hatten. Darunter auch ich, der in diesem Moment ein einziges Mal das Gebot journalistischer Neutralität vergaß. Der Mensch Pelé starb mit 82, aber die Ikone Pelé bleibt unsterblich.