Ein Stationenweg mit biblischen Geschichten ist eigentlich keine neue Erfindung: Meistens findet er sich in katholischen Gegenden – auf dem Weg zu einer Wallfahrtskirche oder -kapelle. Dabei geht es dann auch nicht um beliebige biblische Geschichten, sondern um die Passionsgeschichte. Wer den Kreuzweg ernst nimmt, gerade auch im Zusammenhang mit einem Pilgerweg, betet an jeder einzelnen Station. Und wer ihn besonders ernst nimmt, fällt dazu sogar auf die Knie.
Man kann sich Gedanken machen – oder auch nicht.
Kirchheims Dekan Christian Tsalos zum niederschwelligen Angebot des neuen Bibelwegs
Nichts von alledem ist auf dem Kirchheimer Schafhof nötig: In diesem Fall ist es die evangelische Stadtkirchengemeinde, die den „Bibelweg“ ins Leben gerufen hat. Er hat zehn Stationen, anstatt sieben, 14 oder 15, und er erzählt biblische Geschichten, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zueinander stehen. Was die Geschichten miteinander verbindet, ist ihr Bezug zu Tieren, die in der Bibel erwähnt werden.
Die passende Geschichte zum Tier
Bei manchen Tieren ist es ziemlich eindeutig, welche Geschichten mit ihnen verbunden sind: Beim großen Fisch befindet sich selbstverständlich der Prophet Jona im Zentrum, in jeder Hinsicht. Bei der Heuschrecke geht es um die Plagen Ägyptens, bei der Kuh um den Traum des Pharaos von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren und bei der Schlange um die Ur-Verführung im Paradies. Auch das Neue Testament spielt eine Rolle, und auch in diesem Fall ist es nachvollziehbar, dass der Hahn für die dreimalige Verleugnung des Petrus stehen muss, etwas mit Jesus zu tun gehabt zu haben.
Bei Schafen dagegen wird die Auswahl schon schwieriger. Da steht nur eins fest: Beim Bibelweg auf dem Schafhof-Höhenweg sind Schafe obligatorisch. Das Gleichnis vom verlorenen Schaf ist in diesem Fall aber ein durchaus naheliegender Text. Anders ist die Sache beim Esel: Was einem da am ehesten in den Sinn kommen dürfte, ist das Tier, auf dem Jesus am Palmsonntag seinen königlichen Einzug in Jerusalem hält. Die entsprechende Station des Bibelwegs erzählt stattdessen aber ein weiteres Gleichnis: das vom barmherzigen Samariter. Der Esel hat in diesem Fall die Funktion des modernen Rettungswagens.
Die Tafeln sind immer gleich aufgebaut: Es gibt Bilder von den Tieren und direkt darunter eine Erklärung zum jeweiligen Tier und zu seinem Vorkommen in der Bibel. Links ist die ausgewählte Geschichte nacherzählt, unter Angabe der entsprechenden Bibelstelle.
Anregungen zum Nachdenken
Wer an den Stationen stehenbleibt und die Tafeln liest, wird am Ende der Geschichte direkt angesprochen. Es gibt immer eine persönliche Frage mit Bezug zur Geschichte. So geht es bei Adam und Eva um die Frage, auf wen man schon einmal die Schuld geschoben hat. Und bei Jona heißt es Hand aufs Herz: „Hast du schon mal das Gegenteil von dem gemacht, was du hättest tun sollen?“ Nicht immer aber geht es auf dem Bibelweg moralisch hochkomplex zu. Beim Traum des Pharao heißt es schlichtweg: „Kannst du dich an einen Traum erinnern?“
Die Tafeln sollen also zum Nachdenken anregen, aber auch zum Erzählen. Für Groß und Klein sind sie ein entsprechendes Angebot. Dabei handelt es sich ganz bewusst um ein sehr niederschwelliges Angebot, wie Kirchheims Dekan Christian Tsalos betont: „Man kann stehen bleiben und die Texte lesen. Und dann kann man sich Gedanken machen – oder auch nicht.“ Einen wie auch immer gearteten Zwang zum Kniefall muss also keiner verspüren.
Im Rahmen eines Spaziergottesdiensts am Sonntag, 1. Juni, wird der Bibelweg erstmals öffentlich begangen. Beginn ist um 11 Uhr am Gemeindehaus auf dem Schafhof – wo der Gottesdienst auch wieder endet.