Pflanzenwelt
Der kleine Garten Eden an der Lindach

Claus Braun hat unterhalb der Kirchheimer Herdfeldbrücke eine grüne Oase erschaffen: Oliven, Feigen und Bananen fühlen sich dort wohl.

Claus Braun im Halbschatten seiner Bananenstaude. Die Herdfeldbrücke passt sich so malerisch in seinen Garten ein, dass man nicht glauben würde, mitten in Kirchheim zu sein. Foto: pr

Er ist nur im übertragenen Sinne grün, der Daumen. Aber dafür müssen wohl gleich beide Daumen grün sein – und vielleicht sogar noch die beiden großen Zehen. Und dabei heißt der Mann noch nicht einmal Grün, sondern Braun: Claus Braun. Und das mit dem Gärtnern ist auch keineswegs sein Beruf. Aber für den Diplom-Ingenieur ist seine grüne Welt doch weitaus mehr als nur irgendein Hobby. Es bedeutet Leben im Einklang mit der Natur – und das zu jeder Jahreszeit. Nicht nur mit dem Grün im Garten und auf den Balkonen lebt er, sondern auch mit dem Blau der Lindach, die am Haus in der Herdfeldstraße vorbeifließt.

Der Feigenbaum hat sich selbst das Leben gerettet.

Claus Braun über eine aussortierte Pflanze, die in der Garage neu getrieben hat

„Lindach“ ist ein wichtiges Stichwort: „Ob ich im Garten sitze, auf dem Balkon oder bei geöffnetem Fenster am Schreibtisch – ich höre alle paar Minuten, wie Leute auf der Herdfeldbrücke stehen bleiben, sich an den Pflanzen freuen und darüber reden. Manchmal aber – und meistens sind das die Männer – erklären sie noch mehr dabei, zum Beispiel die Hochwasserproblematik. Und dann erzählen sie ihren Kindern oder Enkeln doch tatsächlich, dass das die Lauter wäre, die unter der Brücke hindurchfließt.“

Wenn da also auf offener Straße – oder Brücke – über seine Pflanzen gefachsimpelt wird, nimmt er das eher gelassen und nebenbei zur Kenntnis. Aber bei solch grundlegenden Falschinformationen über die beiden wichtigsten Fließgewässer Kirchheims sieht er sich doch zum Eingreifen genötigt und erklärt den Passanten den Unterschied zwischen Lindach und Lauter: Von der Herdfeldbrücke aus fließt die Lindach nämlich noch rund 300 Meter nach Norden, zwischen dem Freihof und dem Alten Friedhof, nimmt danach noch die Weppach auf – so diese denn gerade Wasser führt – und mündet erst auf Höhe des Kindergartens Hafenkäs in die Lauter.

Die Lindach ist aber auch als Wasserlauf von großer Bedeutung für das kleine Paradies, das sich Claus Braun geschaffen hat: „Die Lindach schafft das perfekte Mikroklima.“ Und tatsächlich wachsen und gedeihen in diesem Garten ziemlich exotische Pflanzen, die man eher südlich der Alpen erwarten würde oder gar in Tropen und Subtropen: Oliven, Feigen und Bananen. „Das bleibt alles draußen, den ganzen Winter über“, sagt Claus Braun und erwähnt dabei insbesondere die Bananenstaude: „Im Winter ist die weg. Aber im Frühjahr kommt sie von selbst wieder – und das ist jedes Jahr etwas ganz Besonderes.“

Wärme stimmt nachdenklich

Trotzdem ist es für ihn nicht nur das Glück des tüchtigen Gärtners, das er in diesen Momenten wahrnimmt. Es macht ihn auch sehr nachdenklich: „Das Mikroklima an der Lindach ist das eine. Aber es ist wohl auch ein deutliches Zeichen für den Klimawandel, wenn diese Pflanzen hier wachsen – und sogar überwintern.“ Die Winter sind nicht mehr kalt genug. Und das hat bei den Gewächsen zwar erfreuliche Auswirkungen. Aber auch andere Lebewesen profitieren von den wärmeren Wintermonaten: „Leider geht dadurch auch das Ungeziefer nicht mehr kaputt.“

Das Ungeziefer verspeist die Pflanzen so gern wie der Gärtner. In einem Fall hat Claus Braun deswegen auch schon kapituliert – vor etwas größerem Getier: „Ich habe es einmal mit Melonen probiert, ganz unten, am Wasser. Aber die haben mich geschmacklich nicht überzeugt, und ich hätte sie auch nicht auf Jahre hinaus mit den Schnecken teilen wollen.“

Der Geschmack ist ihm bei den essbaren Pflanzen durchaus wichtig, denn das alles wird nicht nur angebaut, sondern auch verarbeitet: „Die Oliven mache ich im Mix mit den Peperoni ein.“ Feigen und allerlei anderes Obst werden zu Marmelade. Das gilt auch für die Quitten, die schon in einem Korb bereitliegen. „Die Quitten habe ich nicht im Garten, die kommen vom Nachbarn. Wir haben da einen regen Austausch.“

Wie ist das aber jetzt mit dem grünen Daumen? „Schon als Kind in Schlierbach hatte ich ein kleines Eckchen im Garten, das ich selbst betreut habe – und meine Blumen waren immer die schönsten.“ Landwirtschaft habe damals noch eine wesentlich größere Rolle gespielt als heute. „Da habe ich vieles mitgekriegt. Auch innerhalb der Familie ist viel weitergegeben worden.“ Mitunter kriegen Pflanzen sogar eine zweite Chance: „Den Feigenbaum hatte ich in einer früheren Wohnung schon einmal aussortiert. In der Garage ist er dann aber wieder gekommen – und hat sich so das eigene Leben gerettet.“ Jetzt hat die Feige den passenden Standort gefunden. Sie bedankt sich artig, indem sie zwei Mal im Jahr Früchte trägt.

Viel Wasser brauche er für seinen Garten. Das betont Claus Braun ebenso, wie er Wert darauf legt, dass er das Wasser aus dem Hahn mittels Schlauch verteilt. Das Wasser der Lindach ist selbstverständlich tabu. Das besondere Geheimnis am richtigen Bewässern: „Lieber ein bisschen weniger als zu viel. Wenn die Wurzeln faulen, dann merkst du das erst, wenn es zu spät ist. Manchmal ist weniger eben mehr.“

Salbei macht den Rachen frei

Inmitten von Obst und Gemüse wachsen auch Kräuter und Gewürzpflanzen wie Liebstöckel, Petersilie, Schnittlauch oder Salbei. Auf den Salbei schwört er ganz besonders: „Bei Erkältungen gibt es nichts, was besser wäre. Oft reicht es schon, über das Blatt zu streichen und den Duft einzuatmen.“

Natur ist in diesem Garten Eden – dessen Feigenblätter gleichwohl am Baum bleiben dürfen – eben Programm. Das gilt auch für die Enten, die auf der Lindach vorbeischwimmen, und auch für die Wasseramseln. „Die wenigsten wissen, dass es die überhaupt gibt“, sagt Claus Braun und beweist damit, dass für ihn zur Flora auch die Fauna gehört – solange es sich nicht um Schädlinge handelt.