Ein kleines Fünkchen Hoffnung hatte Kirchheims Stadtkämmerin Sylvia Zagst zunächst entfacht, als sie dem Gemeinderat den Nachtragshaushalt für 2025 vorstellte: Das Jahr 2024 schließt demnach bedeutend besser ab als befürchtet. Beim ordentlichen Ergebnis ist das Defizit von 7,9 Millionen Euro deutlich gesunken, und zwar auf 0,8 Millionen Euro. Aber: Auch die 0,8 Millionen Euro bleiben ein Defizit. Eigentlich müsste der Ergebnishaushalt Überschüsse in Höhe von mehreren Millionen Euro abwerfen, um sich dadurch die dringend notwendigen Investitionen leisten zu können.
Fast 90 Prozent der Kommunen kriegen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hin.
Pascal Bader zu einem grundsätzlichen Finanzierungsproblem in Deutschland
Zur – durchaus erfreulichen – Verbesserung um mehr als sieben Millionen Euro für 2024 hat vor allem die Gewerbesteuer beigetragen, mit 5,8 Millionen Euro. Aber auch in diesem Fall ließ die Kämmerin nur wenig Grund zur Hoffnung: „Dabei handelt es sich überwiegend um Nachzahlungen aus Vorjahren, um ,Corona-Effekte‘. Das wird es so nicht mehr geben. Und auch die konjunkturellen Unsicherheiten dürften sich kaum positiv auf unsere Gewerbesteuereinnahmen auswirken.“ Was das konkret bedeutet, zeigt zunächst einmal der Ausblick auf das Haushaltsjahr 2025.
Steigerung um 75.600 Prozent
Eigentlich genügt dafür der Blick auf die Pro-Kopf-Verschuldung im Kernhaushalt, also auf den Schuldenstand pro Einwohner: Er steigt von zwei Euro zum 1. Januar auf 1514 Euro zum 31. Dezember – eine Steigerung um sage und schreibe 75.600 Prozent! Beim Blick auf die Folgejahre sprach Sylvia Zagst daher von einem „sehr ernüchternden Bild“, was sie durch eine drastische Aussage in scheinbar harmlosen Worten verdeutlichte: „Die dauerhafte Leistungsfähigkeit unseres Haushalts ist nicht gewährleistet.“
In der mittelfristigen Finanzplanung für 2026 bis 2028, in der ohnehin schon gewaltige Löcher klaffen, vergrößern sich diese Löcher – um jährlich zwei bis sechs Millionen Euro. Die Kämmerei rechnet beim ordentlichen Ergebnis für 2026 und für 2028 jeweils mit einem Minus von 11,3 Millionen Euro. Das Jahr 2027 bietet mit einem Defizit von knapp neun Millionen Euro nur wenig Erholung oder gar Erleichterung. Der Schuldenstand soll bereits 2026 seinen Höchststand erreichen – mit 91,5 Millionen Euro. Der Abbau allerdings erfolgt deutlich langsamer. Für Ende 2028 ist immer noch eine Verschuldung von 86,5 Millionen Euro vorgesehen.
Oberbürgermeister Pascal Bader erklärte: „Die Verschuldung kommt durch hohe Investitionen.“ Als Beispiele nannte er die Sanierungsarbeiten am Ludwig-Uhland-Gymnasium, am Kornhaus oder auch am Technischen Zentrum in der Henriettenstraße. Kornhaus und TZ sind allerdings schon seit vielen Jahren überfällig, es handelt sich um mehrfach vertagte Hängepartien.
Außerdem verwies der Rathauschef darauf, „dass fast 90 Prozent der Kommunen keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hinkriegen“. In diesem Zusammenhang wiederholte er Zahlen aus seiner Rede zum Neujahrsempfang, wonach die Kommunen 25 Prozent der Ausgaben der öffentlichen Hand zu tragen haben, aber nur 14 Prozent vom Steueraufkommen erhalten.
Sparen auf Kosten der Brücken
Wenn sich die Investitionsausgaben von 2025 bis 2028 gegenüber der bisherigen Planung um 7,4 Millionen Euro auf 124,3 Millionen erhöhen, handelt es dabei um eine Steigerung von 6,3 Prozent. Das könnte sich in einem Zeitraum von vier Jahren möglicherweise verkraften lassen – handelt es sich doch immerhin um Ausgaben für wichtige Projekte wie das Technische Zentrum, die Erweiterung der Freihof-Grundschule, die Küchenerweiterung am Schlossgymnasium, das Kornhaus und die Teck-Grundschule.
Schwierig ist die Deckung der Mehrkosten von 7,4 Millionen Euro für die genannten Projekte. In der Sitzungsvorlage für den Gemeinderat heißt es lapidar: „Im Gegenzug wurden 7,1 Millionen Euro für die Brückensanierungen aus der Planung genommen.“ Das Problem immerhin benannte der Oberbürgermeister glasklar: „Auch unterlassene Instandhaltung ist eine Art von Verschuldung.“
Kirchheim hat kein Geld
Kommentar von Andreas Volz zur desolaten Haushaltslage der Stadt Kirchheim
Eigentlich ginge es jetzt darum, den redensartlich reinen Wein einzuschenken, wäre denn überhaupt noch ein größeres Quantum Wein vorhanden im Kirchheimer Ratskeller. Angesichts der Kassenlage müsste man schon froh sein, sich noch klares Wasser leisten zu können, um – im Bild bleibend – wenigstens reichlich Wasser in den restlichen Wein zu gießen. Wer dann auch noch, dem Ratschlag aus „Kiss me, Kate“ folgend, bei Shakespeare nachschlägt, stößt auf die sinngemäß übersetzten Worte Macbeths: „Der Wein ist ausgeschenkt, es bleibt der Bodensatz.“
Das also ist die bittere Wahrheit: Die Haushaltslage stellt sich so dar, dass Kirchheim kein Geld mehr hat. Wenn es so bliebe, wäre es noch gut. In Bälde schon wird Kirchheim weitaus weniger haben als kein Geld – nämlich einen stetig wachsenden Berg von Schulden. In nicht einmal drei Jahren geht es von der Nahezu-Null-Verschuldung hin zu über 90 Millionen Euro, die an Krediten aufgenommen werden sollen. Das will erst einmal zurückgezahlt sein – ganz abgesehen von den enormen Zinsen, die noch dazukommen.
Dass Kirchheim nicht die einzige Kommune ist, die solche Probleme hat, mag ein Trost sein – aber nur ein schwacher. Was also tun? Zumindest das Träumen wäre schleunigst aufzugeben: Mit derlei Haushaltslöchern lassen sich keine Hallen bauen – weder zum Schwimmen noch zum Ballspielen.