Baumschutz
Die Wurzeln bleiben unbehelligt

Ein Ahorn an der Kirchheimer Tannenbergstraße kann an seinem Standort erhalten werden: Eine Wurzelbrücke würde sogar Schwerlastverkehr ermöglichen, ohne dass er Schaden nimmt.

Das Gitter an der Tannenbergstraße ist mittlerweile schon durch eine Asphaltschicht verdeckt. „Unsichtbar“ leistet es aber wertvolle Dienste: Als Wurzelbrücke schützt es den Ahornbaum, dessen Stamm links im Bild zu sehen ist.       Foto: Carsten Riedl

Es ist nicht ganz wie beim Eisberg, der bekanntlich den Großteil seines Volumens unter der Wasser­oberfläche verbirgt. Aber trotzdem hat auch der Ahornbaum an der Kirchheimer Tannenbergstraße eine beachtliche Ausdehnung – in diesem Fall unter der Erd­oberfläche. Philipp Köber deutet auf die Krone und sagt: „So weit reicht auch das Wurzelwerk.“ Die Wurzeln wären in Gefahr gewesen, wenn direkt über ihnen die Zufahrt zum neuen Kindergarten verläuft. Und mit den Wurzeln wäre gleich der gesamte Baum in Gefahr gewesen.

Was tun also? Der Garten- und Landschaftsbauer hält nichts von der radikalsten Idee – den Baum einfach zu fällen: „Der Ahorn an dieser Stelle ist ein sehr vitaler Baum, ganz anders als der Baum direkt daneben.“ Er sei vor ungefähr 15 Jahren gepflanzt worden und habe, als Straßenbaum, eine Lebenserwartung von gut 70 Jahren. „In einem Park könnte der auch über 100 Jahre alt werden.“

Verpflanzen wäre eine Möglichkeit gewesen, um den Baum zu erhalten. „Das hätte zwischen 3500 und 5000 Euro gekostet“, sagt Philipp Köber. Es hätte den Baum aber auf jeden Fall geschädigt, weil nicht jede einzelne Wurzelverzweigung hätte freigelegt und mitverpflanzt werden können.

Mit Sicherheit aber hätte der Ahorn nach der Verpflanzung intensiver Pflege bedurft, mit täglichem Wässern – erst recht in der aktuellen Hitzephase. Die tägliche Pflege über mindestens ein Jahr hinweg hätte wohl höhere Kosten verursacht als die Verpflanzung selbst. Und auch dann wäre nicht sicher gewesen, ob der Baum an der neuen Stelle auch tatsächlich erfolgreich angewachsen wäre.

Insofern ist das gewählte Verfahren besser, auch weil es den größten Erfolg verspricht: Die Wurzeln sind durch eine eigene Brücke geschützt. Gitter aus verzinktem Edelstahl überbrücken den sensiblen Bereich, sodass es zu keiner Bodenverdichtung kommt, die das Wurzelwerk beschädigen würde. Über den Gittern ist bereits eine Asphaltschicht aufgetragen, etwa zehn Zentimeter dick. Auf diesem Asphalt könnte sogar der Schwerlastverkehr rollen, wäre die Wurzelbrücke direkt an der Straße angebracht: „Wenn ein 40-Tonner mit 80 Kilometern pro Stunde auf so einer Wurzelbrücke eine Vollbremsung macht, dann muss die das aushalten.“

Diese Probe ist an der Tannenbergstraße aus mehreren Gründen nicht möglich. Definitiv aber ist nach dem Asphaltieren von der eigentlichen Wurzelbrücke nichts mehr zu sehen. Dafür aber steht der Ahorn weiterhin in voller Vitalität als Schattenspender zur Verfügung. Und nicht nur das. Philipp Köber zählt weitere Vorteile auf. Der Baum verdunste bis zu 150 Liter Wasser am Tag und habe auch dadurch einen messbaren Kühlungseffekt. Er sei Lebensraum für Insekten und viele weitere Lebewesen, sodass er einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität leiste. Hinzu komme ein Filtereffekt bei Feinstaub und die Tatsache, dass dieser Baum 20 bis 30 Kilogramm CO2 pro Jahr bindet. Außerdem produziere er jeden Tag ungefähr dieselbe Menge Sauerstoff, die zwei Menschen an diesem Tag verbrauchen.

Das alles sind Argumente, die eine Ausgabe von 12.000 Euro für die Wurzelbrücke durchaus rechtfertigen, erst recht, wenn man die Kosten auf die Lebenszeit des Ahorns hochrechnet: Sollte nichts Gravierendes passieren, dürfte der Baum immer noch an seinem Platz stehen, wenn die Kinder, die demnächst Einzug in den Kindergarten halten, ihren Ruhestand genießen.