Architektur
Ein Blick in die Zukunft des Kornhauses

Bei einer Baustellenführung gibt Professor Peter Cheret Einblick in das Sanierungskonzept für das Kirchheimer Kornhaus. Es ist eine Rückbesinnung auf Raum, Struktur und Geschichte.

Seit April eine Großbaustelle in Kirchheims Zentrum: Das Kornhaus. Foto: Jörg Bächle

Noch ist das Kirchheimer Kornhaus eine Baustelle – doch wer dieser Tage einen Blick ins Innere werfen konnte, bekam eine lebendige Vorstellung davon, was sich dort entwickelt. Im Rahmen einer architektonischen Führung hat der federführende Architekt Professor Peter Cheret Einblicke in die Sanierung und Neugestaltung des stadtprägenden Gebäudes gewährt.

Seit Anfang 2020 ist das historische Lagerhaus aus dem 16. Jahrhundert wegen grundlegender Sanierungsarbeiten geschlossen. Nun hat Cheret eine Gruppe Interessierter durch das entkernte Gebäude geführt und dabei deutlich gemacht, dass hier eine Rückbesinnung auf die Qualitäten der bauhistorischen Substanz stattfindet. Das Sanierungsziel ist ambitioniert: Bis Ende 2028 soll das denkmalgeschützte Haus nicht nur instandgesetzt, sondern auch in seiner ursprünglichen Raumwirkung wieder erlebbar werden. „Das Kornhaus ist Bestandteil der Kirchheimer Identität“, betont Cheret. Gemeinsam mit der Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft „Cheret Bozic Architekten und Weidner Händle Atelier“ hat er den prämierten Entwurf für das neue Kornhaus entwickelt.

Zwei gestalterische Leitideen prägen das Konzept: Zum einen sollen die Innenräume wieder in ihrer ursprünglichen Weiträumigkeit erfahrbar werden – Einbauten aus der Sanierung der 1970er-Jahre, die mit der historischen Substanz im Widerspruch standen, werden daher entfernt. Zum anderen wird das Wechselspiel zwischen den massiven Außenmauern und der filigranen Fachwerkstruktur betont. Besonders sichtbar sind die Veränderungen bereits im Erdgeschoss, wo die Galerie des Kirchheimer Kunstbeirats untergebracht ist. Der Laubengang an der Südseite wurde dem Innenraum zugeschlagen und so die Ausstellungsfläche um ein Drittel vergrößert. Der bisherige grüne Fliesenboden weicht einem farbneutralen, robusten Estrich, der dem Galerieraum laut Cheret eine „ruhige Präsenz“ verleiht.

 

Die Führung machte Professor Peter Cheret. Foto: Florian Stegmaier

Außen wird es „transparenter“

Auch außen wird das Kornhaus transparenter. Die früheren Feuerwehrtore an der Nordseite werden geöffnet, eine durchbrochene Fassade bringt Licht ins Haus – und soll zugleich auf den angrenzenden Kirchplatz ausstrahlen. Dieser, so Cheret, sei „ein städtebaulicher Raum wie aus dem Bilderbuch“, wirke jedoch tot. Die architektonische Öffnung soll zu neuer Belebung führen.

Im Inneren dominiert derzeit das provisorische Bild von Baustützen und Sprießen – eine notwendige Sicherung, wie Cheret erklärte, denn die Natursteinsockel unter den Holzpfeilern sind porös und werden durch neue aus Sandstein ersetzt. Positiv: Die Fachwerkkonstruktion zeigt sich in überraschend gutem Zustand, frei von Pilz- und Insektenbefall – dank des desinfizierenden Kalkputzes, der nun wieder Verwendung findet. Auch weitere Materialien knüpfen an vorindustrielles Wissen an: In den oberen Etagen wird Lehmputz aus Kaolinerde verwendet – gut für das Raumklima und bei künftiger musealer Nutzung leicht Instand zu halten. Die Holzböden werden nicht versiegelt, sondern wie im Kirchheimer Schloss „geseift“. Ein geometrisches Muster aus Eichen- und Nadelholz nimmt dabei die raumprägende Struktur des Fachwerks auf.

 

Sieht im Inneren gerade aus wie ein Labyrinth: Der "Sprießenwald" im Kornhaus. Foto: Florian Stegmaier

„Spannende Baustelle“ bis 2028

Ein Highlight der Neugestaltung wird der multifunktionale Veranstaltungsraum im Dachgeschoss. Dort sollen Kulturveranstaltungen, aber auch Sitzungen des Gemeinderats stattfinden. Sitzen empfiehlt sich dort ohnehin – denn die in nur 2,50 Meter Höhe verlaufenden Querbalken verlangten den planenden Architekten kreative Lösungen ab: Statt einer großen Leinwand sollen ans Gebälk montierte Displays Sitzungsvorlagen visualisieren. Aktuell nähert sich die Rückbauphase ihrem Ende. Im Herbst beginnt die Instandsetzung der tragenden Holzkonstruktion. Ganze 20 Wochen pro Etage sind für die Zimmermannsarbeiten veranschlagt. Bis zur geplanten Wiedereröffnung Ende 2028 bleibt das Kornhaus eine der spannendsten Baustellen Kirchheims – und ein Ort, an dem Vergangenheit und Zukunft architektonisch in Einklang kommen.