Zum letzten Abend der Kirchheimer NEMF-Wochen 2025 für Nachhaltigkeit, Energie, Mobilität und Fairen Handel war Oliver Wagner ins Alte Gemeindehaus gekommen. Der Co-Leiter des Forschungsbereichs Energiepolitik des „Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie“ ist Mitautor des Buches „Earth for All Deutschland“ und stellte dessen Hauptthesen vor. Anschließend befragte die Kirchheimer Klimaschutzmanagerin Beate Arman ihn, Oberbürgermeister Pascal Bader, Geschäftsführer Alexander Feeß und Reinhard Eberst, Leiter der Diakonischen Bezirksstelle.
Sehr eindrücklich war, was Wagner den Verfechtern der „Technologieoffenheit“ ins Stammbuch schrieb: Manche Ansätze sind, was den Gesamtwirkungsgrad angeht, keineswegs verlockend. Wird ein Auto per Batterie direkt elektrisch betrieben, kommt Wagner auf einen Wirkungsgrad „auf der Straße“ von 77 Prozent. Wird mit dem Strom zuerst künstlicher Kraftstoff erzeugt und im Auto verbrannt, liegt der Wirkungsgrad des Gesamtsystems bei nur 13 Prozent – also knapp über der guten alten Dampflok. Wird aus Strom per Elektrolyse Wasserstoff und dann Methan erzeugt, um damit zu heizen, beträgt die Gesamtausbeute 45 Prozent. Viel besser ist die Wärmepumpe: In einem passenden Gebäude kann sie bis zu 300 Prozent „Bonus“ aus dem Boden holen. So lassen sich im Vergleich statt einem mehr als acht Häuser heizen.
Will sich die Gesellschaft zum Besseren ändern, was hindert sie? Dazu nannte Wagner mehrere Gründe. Probleme können sehr komplex sein, es kann Falschinformationen geben, weitere Krisen wie etwa Kriege überlagern das Problem, Dauerwahlkämpfe und eine nervöse Politik verhindern ein langfristiges Vorgehen mit Durchhaltevermögen. Wird vom Menschen eine Verhaltensänderung verlangt, kann das unangenehm sein. Doch teils ist sie nötig. „Technik allein ist nicht die Lösung“, sagte Wagner.
Für ihn kann es einen ökologischen Umbau nur gleichzeitig mit einem Abbau der sozialen Ungleichheit geben. Könnten sich Menschen mit wenig Geld etwa die Energiewende nicht leisten, stellten sie sich dagegen. Förderprogramme müssten entsprechend ausgerichtet sein. Er kritisierte, dass die Förderung bei der Wärmepumpe beim selbstgenutzten Eigentum höher sei als in der Vermietung. Insgesamt plädiert Wagner beim Wandel für einen „großen Wurf“: Die in 150 Jahren geschaffenen fossilen Strukturen in nur 25 Jahren umzubauen, sei möglich – wenn auch sehr teuer.
Menschen mit weniger Geld sind stärker auf öffentliche Infrastruktur angewiesen. Dem Reichen mit eigenem Hallenbad kann das städtische Hallenbad hingegen egal sein. Wie schwer es die klammen Kommunen haben, diese Infrastruktur zu erhalten, schilderte Oberbürgermeister Pascal Bader. „Das ist ein strukturelles Problem, da muss der Bund ran. Wir fordern entweder einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer oder weniger Aufgaben.“
Dass sich die Stadt Kirchheim beim sozialen Wohnungsbau auf den Weg gemacht hat, lobte Reinhard Eberst, Leiter der diakonischen Bezirksstelle. Er verwies auch auf eine statistisch nachweisbare Erkenntnis: Je weniger Einkommen jemand hat, desto weniger geht er wählen und desto weniger stellt er sich selbst zur Wahl. Ärmere sind dadurch politisch unterrepräsentiert.
Zu den bereits genannten Wandlungsbremsen fügte Alexander Feeß, Geschäftsführer der Firma Heinrich Feeß, eine weitere hinzu: eine veraltete Ausbildung. Recyclingbeton spart weite Transportwege vom Steinbruch und zur Deponie – kann doch das Recycling dort stattfinden, wo der Bauschutt anfällt oder wieder verwendet wird. Doch leider, so Feeß, seien Recycling-Baustoffe im Studium noch immer kein Thema.

