Es ist Donnerstagnachmittag, 15.55 Uhr. Die Sonne scheint, kein Regen, mildes Herbstwetter. Vor dem Freihof stehen Eltern in Grüppchen und warten auf ihre Kinder. Gleich endet die Ganztagsschule, die aktuell von 60 Prozent der Grundschüler besucht wird, parallel endet in der Realschule der Nachmittagsunterricht. Entlang der Wollmarktstraße stehen fünf oder sechs Elterntaxis im Parkverbot, dazu etliche auf Parkplätzen. Dann ergießt sich ein Strom aus Kindern und Jugendlichen aus dem Freihof heraus, vermischt sich mit Autos, die von der anderen Seite der Herdfeldstraße kommend in die Wollmarktstraße hineinfahren, um Kinder abzuholen. Wagen setzen rückwärts auf die Straße zurück, während Eltern mit ihren Kinder an ihnen vorbeigehen müssen. Manche halten mitten auf der Straße, um Kinder mit Rollern, Schulranzen und Instrumentenkoffern einzuladen.
Im Vergleich zu jenen Szenen, die sich noch vor einem halben Jahr in der Wollmarktstraße abgespielt haben, muss die eingangs geschilderte Situation geradezu harmlos sein. „Teilweise waren da Autos so ineinander verkeilt, dass gar nichts mehr ging“, erinnert sich Andreas Wagner, Inhaber des Geschäfts „Radsport Fischer & Wagner“. Stadt, Schulleitung und Elternbeirat setzten sich zusammen und schmiedeten Pläne, um die gefährliche Situation zu entschärfen. Im Juni wurden Poller an der Einfahrt zur Wollmarktstraße installiert, die den Durchgangsverkehr beenden sollten. Und im Sommer die Elterntaxi-Haltestellen in der Lauterstraße und auf dem Ziegelwasen.
Doch offenbar lösen diese Maßnahmen allein das Problem nicht. Denn während die allermeisten Eltern ihre Kinder an diesem Herbsttag augenscheinlich zu Fuß gehen lassen oder ohne Auto abholen, fahren immer noch Eltern in die Wollmarktstraße hinein und bringen Schüler in Gefahr. Mittags stünden täglich zwischen 12 und 13 Uhr Eltern mit ihren Autos an der Plochinger Straße, meist mit zwei Rädern auf dem Gehweg, so dass kein Durchkommen mehr möglich ist, sagt Andreas Wagner und ergänzt: „Im Moment ist das Wetter ja noch gut. Warten wir mal die kalte Jahreszeit ab“. Vor dem Radsport-Geschäft habe sich die Situation hingegen deutlich entspannt, Durchgangsverkehr ist aufgrund der Poller nicht mehr möglich. Dass das Problem gelöst ist, glaubt Wagner dennoch nicht. „Es hat sich nur verlagert“.
Das bestätigt Jeanette Witt, Inhaberin eines Friseurgeschäfts in der Wollmarktstraße. Der Durchgangsverkehr habe zwar abgenommen, aber dafür würden Eltern jetzt in die Straße hineinfahren, um vor dem Freihof zu wenden. „Viele Schüler verunsichert das sehr“, sagt sie. „Und das Ordnungsamt kontrolliert zu wenig“. Die Elterntaxi-Parkplätze würden gar nicht genutzt, behauptet Witt, und beruft sich auf die Beobachtungen von Kunden, die in der Lauterstraße wohnten. Die Parkprobleme gebe es, seit die Realschule neu gebaut worden sei. „Danach durfte auf dem Hof nicht mehr geparkt werden“, erinnert sie sich.
Werden die Elterntaxi-Parkplätze wirklich nicht genutzt? Wir folgen den aufgedruckten Fußspuren auf dem Asphalt, die vom Freihof über Zebrastreifen und Brücke in die Lauterstraße führen. Dort, in der so genannten „Hol- und Bringzone“, sind um 16 Uhr alle Parkplätze belegt. Allerdings keineswegs von wartenden Eltern. Laut Schildern dürfen die um diese Zeit auch gar nicht dort stehen. Montags bis freitags sind die Parkplätze lediglich von 7 bis 8 Uhr und von 12 bis 14 reserviert. Eltern von Ganztagsschülern können die „Hol- und Bringzone“ also überhaupt nicht nutzen – selbst, wenn sie wollten.
Die Stadt Kirchheim reagiert auf diesen Missstand schnell: „Wir werden den Zeitraum zwischen 16 und 17 Uhr in den nächsten Tagen auf die Schilder nehmen“, sagt Pressesprecher Robert Berndt. Eltern von Ganztagskindern oder Realschülern, die Mittagschule haben, können also künftig in der Lauterstraße parken und die zwei Minuten von dort zur Schule laufen. An den Schildern wird außerdem ein Zusatz angebracht: „Nur während der Schulzeiten“. In den Ferien sind die Parkplätze in der „Hol- und Bringzone“ somit für Anwohner und andere uneingeschränkt nutzbar. Zudem will die Stadt vor dem Freihof wieder verstärkt kontrollieren, um „die Unverbesserlichen weiter zu sensibilisieren“, so Bernd.
Vor der Freihof-Realschule stehen am Donnerstagnachmittag drei Mütter und tauschen sich über die Parksituation vor Ort aus. Sie sind mit dem Auto gekommen – trotz aller Maßnahmen, die die Stadt gegen sogenannte „Elterntaxis“ ergriffen hat. „Man findet drumherum keinen Parkplatz“, rechtfertigt sich eine Mutter. Von der „Hol- und Bringzone“ in der Lauterstraße und auf dem Ziegelwasen wüssten sie gar nichts. „Eine Parkinfo haben wir nicht bekommen“, sagt eine Mutter. Die Idee, am Ziegelwasen zu parken und von dort zu laufen, findet die andere realitätsfern. „Wurde denn vorher abgefragt, wer wie lang arbeitet?“, sagt sie. Um die Kinder immer zu Fuß gehen zu lassen, wohnten sie zu weit weg. „Morgens lasse ich ihn laufen, aber manchmal klappt auch das nicht, weil das Nachbarskind nicht aufmacht“, sagt eine über ihren Sohn.
Andrea Bizer ist Rektorin der Freihof-Grundschule. Sie sagt, dass sich Situation in Summe enorm verbessert habe. Gut sei sie jedoch noch nicht. „Der Elternbeirat hat uns rückgemeldet, dass es um 16 Uhr immer noch problematisch ist“, sagt Bizer. Zu den meisten Zeiten sei es jedoch deutlich ruhiger als noch vor einem halben Jahr. Dass die Eltern nicht über die „Hol- und Bringzonen“ informiert worden seien, weist Bizer von sich. „Ich habe allen eine Mail geschrieben, und wir haben es über den Elternbeirat kommuniziert“, sagt sie. Außerdem habe es in allen Klassen Aktionen gegeben. „Viele Kinder haben davon sicherlich zuhause berichtet“, sagt sie.
Bizer glaubt, dass Elterntaxis immer ein Thema sein werden. Manche Eltern seien in diesem Punkt einfach unverbesserlich, und zwar nicht nur Grundschul-, sondern auch Realschuleltern. Die meisten Schüler kämen jedoch mittlerweile zu Fuß. „Deren Eltern würden sich wünschen, dass das Ordnungsamt nicht nur redet, sondern auch Strafen verhängt“, sagt sie.