„Mit so einem Andrang hätten wir niemals gerechnet“, sagte der Zugführer und Schaffner Leon Stauffer. Die Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen (GES) hatte das Maximale rausgeholt: Bei einer Bahnsteiglänge von 100 Metern auf der Teckbahn durften die Wagen des Dampfsonderzugs nicht länger sein, inklusive eines Ergänzungswagens brachten sie es auf exakt 99 Meter. Das bedeutete 303 Sitzplätze zuzüglich vieler Stehplätze, auch auf den offenen Plattformen. Trotzdem kamen nicht alle, die gerne mitfahren wollten, mit. Überall entlang der Strecke standen Fotografen, mache hatten extra Leitern mitgebracht. Viele standen in den Häusern entlang der Strecke an den Fenstern, oft mit Kamera oder Smartphone.
Die GES war mit mindestens 20 Ehrenamtlichen im Einsatz, zusätzlich halfen befreundete Vereine aus. Die Zuggarnitur ist sonst als „Feuriger Elias“ zwischen Korntal und Weissach unterwegs, der Ergänzungswagen war eine Leihgabe der Schwäbischen Waldbahn und kam aus Schorndorf. Die Diesellok der Baureihe V100, die in Kirchheim Rangierdienst leistete, gehört wieder einem anderen Verein, in frischer historischer Lackierung und Beschriftung war sie eine Augenweide.
Die Dampflok der Baureihe 50 war für die Teckbahn ideal. Sie wurde einst als universell verwendbare Güterzuglok gebaut, die mit ihrer niedrigen Achslast auch mit schlechtem Oberbau klarkommen sollte. Ihre Spitzengeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde konnte sie nicht ausfahren, bei Tempo 60 war auf der Teckbahn Schluss. Besuche auf dem Führerstand waren bei Erwachsenen und Kindern sehr beliebt.








































So ein Dampfzug braucht nicht nur eine große Lok, sondern auch einen kleinen Schlüssel. Er war im Kirchheimer Stellwerk abzuholen und erlaubte das Umstellen von Weiche 5 im Oberlenninger Bahnhof. Nur so konnte die Lok ans andere Zugende umgesetzt werden. Die beruhigende Auskunft des grünen Landtagsabgeordneten Andreas Schwarz im Packwagen, er habe einen Generalschlüssel, war nur ein Spaß – seine Frage, was denn die Miete eines kompletten Dampfzuges koste, aber sehr ernst gemeint. Bei dieser Frage zog der GES-Schatzmeister liebend gerne seine Visitenkarte.

Kirschen für den Lokführer
Überall auf den Unterwegsstationen wurde der Dampfzug mit großem Andrang und Musik begrüßt. In Owen überreichte Bürgermeisterin Verena Grötzinger dem Lokführer ein Körbchen Kirschen – eine Anspielung auf die historische Bemerkung im Landtag, wegen der paar Kirschen lohne doch der Bau dieser Strecke nicht. Einige edle Damen und Herren waren zur Mitfahrt in historischer Kleidung erschienen. Von wegen Kleidung: Warum konnten manche Frauen zu Dampflokzeiten den Fahrplan auswendig? Weil sie vor dem nächsten Zug ihre Wäsche abhängen musste, sonst war sie schwarz und musste erneut gewaschen werden.
Infotafel am Postplatz
Vor der Abfahrt des ersten Zuges, der viermal auf der Strecke pendelte, wurde am Kirchheimer Postplatz eine Infotafel eingeweiht. Sie erinnert an den alten Bahnhof, der 1975 zugunsten des heutigen Standorts aufgegeben wurde. In der damaligen Vision der „autogerechten Stadt“ hatten Bahnübergänge eben keinen Platz mehr. Die Initiative zur Infotafel kam von Edmund Epp. Bei einer Stadtführung in Kempten hatte er eine Infotafel zum alten Kopfbahnhof gesehen. „Das brauchen wir auch in Kirchheim“, sagte er sich und nahm Kontakt mit dem Verschönerungsverein auf. Dank der Unterstützung von Rosemarie Reichelt sowie Frank Bauer vom Stadtarchiv und noch einigen anderen wurde das Projekt Wirklichkeit.
Das Duo „Vocal Affair“ begleitete die Einweihung mit dem Volkslied von der „Schwäb’schen Eisebahne“. Oberbürgermeister Pascal Bader blickte auch nach vorne: „Ich bin gespannt, ob es mit der Bahnverbindung nach Weilheim klappt und wie lange es dauert.“ 1899 ging die Teckbahn in Betrieb, 1908 kam die neue Strecke nach Weilheim dazu. „Heute ist nach neun Jahren noch nicht mal die Vorplanung fertig.“
Wie es früher war: Immer wieder sonntags
Nahverkehrsberater Hartmut Jaißle berichtet, dass in den 1960er-Jahren ein „Sonntagsausflugzug“ von Stuttgart ohne Umsteigen nach Oberlenningen fuhr. „Er fuhr bis Wendlingen als Eilzug und hatte eine richtig große Dampflok mit Tender vorgespannt.“ Als Kind staunte er über die riesige Lok und die langen, silbrig glänzenden Wagen. „Sonst fuhren hier Umbau-Dreiachser, keine Drehgestellwagen.“ Im Sommer war der Zug voll mit Wanderern, die vom Lenninger Tal auf die Alb wanderten, im Winter voll mit Skifahrern, die zu Fuß auf die Alb marschierten. Rückfahrt war 18.17 Uhr ab Oberlenningen, Stuttgart wurde nach 80 Minuten erreicht. Es gab verbilligte Sonntagsrückfahrkarten. Bei schönem Wetter setzte die Bahn einen zweiten Zug ein. Mangels Platz im Oberlenninger Bahnhof für zwei Züge wurden die Wagen bis zum Abend auch auf den Gleisanlagen im Gelände der Firma Scheufelen abgestellt. pd