Zweihundertunddrei: Das ist die magische Marke, die der Kirchheimer Gemeinderat für den Hebesatz der Grundsteuer B festgesetzt hat. Was das für jeden einzelnen bedeutet, lässt sich nachrechnen. Die 203 geben den Hundertsatz an. Der Grundsteuermessbetrag, der per Finanzamtsbescheid vorliegen sollte, ist demnach mit 2,03 zu multiplizieren. Das Ergebnis ist der jährliche Grundsteuerbetrag, der an die Stadt Kirchheim zu entrichten ist. Zwingend gerechnet werden müsste eigentlich nicht, weil die Stadt rechtzeitig zum Jahresende eigene Grundsteuerbescheide verschickt, denen der Jahresbetrag ebenso zu entnehmen ist wie die Aufteilung der Gesamtsumme auf die jeweiligen Quartale – so wie das auch bisher schon der Fall war.
Nachrechnen empfiehlt sich
Allerdings empfiehlt die Stadtverwaltung trotzdem das genaue Nachrechnen, vor allem was den Grundsteuermessbetrag betrifft. Kirchheims Finanz-Abteilung hat die Messbeträge stichprobenartig schon selbst auf deren Plausibilität hin untersucht und bei unplausibel erscheinenden Summen sowohl das Finanzamt als auch die Grundsteuerpflichtigen informiert. Eine eigene Kontrolle empfiehlt sich daher in jedem Fall.
Im Gemeinderat hat die Verwaltung betont, dass Korrekturen der Grundlagenbescheide nur dem Finanzamt mitgeteilt werden können. Die Stadt selbst hat mit dem Grundsteuermessbetrag nämlich nichts zu tun. Sie übernimmt diesen Betrag vom Finanzamt, verbindlich. Ihrerseits berechnet die Kirchheimer Kämmerei ebenfalls den jeweiligen Jahresbetrag durch Multiplikation mit der 2,03.
Ende September lagen bei der Stadtverwaltung 97,2 Prozent der Messbeträge für die Grundsteuer B vor, wie Stadtkämmerin Sylvia Zagst mitteilte. Diese Prozentzahl ist eine Grundlage, auf der sich der passende Hebesatz zuverlässig errechnen lässt. Anders sieht es mit der Grundsteuer A aus: In diesem Fall musste die Kämmerei ihren Vorschlag für den Hebesatz aus lediglich 55,4 Prozent der Messbeträge festlegen
Wie kommt es nun zu der vergleichsweise „krummen“ Zahl 203 vom Hundert oder eben 2,03 für die Grundsteuer B? Vorauszuschicken ist, dass die Grundsteuerreform auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 zurückzuführen ist. Demnach waren die Grundmessbeträge neu zu gestalten, wobei jedes Bundesland seine Vorgehensweise bestimmen konnte. Baden-Württemberg hat sich dabei vor allem am Bodenrichtwert orientiert.
Die Kommunen dürfen durch die geänderte Berechnung keine Mehreinnahmen erzielen. Wenn 2025 die neue Regelung erstmals zur Anwendung kommt, darf das Grundsteueraufkommen demnach das von 2024 nicht wesentlich überschreiten.
Deshalb mussten die Kommunen einen Hebesatz ansetzen, der diese Bestimmung gewährleistet. Für Kirchheim bedeutet das eben die 203. Das ist eine deutliche Reduzierung des Hebesatzes selbst, der bislang bei 395 vom Hundert lag. Der Grund für diese Senkung liegt darin, dass die Messbeträge nach der neuen Bewertung entsprechend gestiegen sind.
Teils gravierende Unterschiede
Die Neuberechnung kann im Einzelfälle durchaus gravierend sein: Betroffen von einer teils deutlichen Erhöhung sind insbesondere Eigentümer von großen Grundstücken mit viel Gartenfläche, respektive deren Mieter, auf die sich die Grundsteuer umlegen lässt. Wer dagegen eine Geschosswohnung bewohnt, darf prinzipiell mit einer geringeren Grundsteuer rechnen. Es ist insgesamt also eine große Umverteilung, die von der Idee her für mehr Gerechtigkeit sorgen soll, was in der Praxis aber vielfach anders gesehen wird.
Weil es vor allem auf den Bodenrichtwert ankommt, spielt die Grundstücksgröße teils eine untergeordnete Rolle, wie aus zwei Beispielen hervorgeht, die im Gemeinderat vorgestellt wurden: Bei einem 500-Quadratmeter-Grundstück in der Kernstadt wurde zwar eine Reduzierung um 145 Euro errechnet, während für ein 700-Quadratmeter-Grundstück in Ötlingen 135 Euro mehr anfallen. Weil der Bodenrichtwert in diesem Fall aber für Ötlingen geringer ist, liegt der Jahresbetrag für das kleinere Grundstück trotzdem bei 630 Euro, während er für das größere Grundstück auf 567 Euro kommt.
Um wesentlich höhere Beträge geht es bei der Grundsteuer für Gewerbegrundstücke – was an deren üblicher Größe liegt. Die vier Beispiele, die der Gemeinderat vorgelegt bekam, fallen sehr unterschiedlich aus. In einem Fall sind knapp 3000 Euro mehr zu zahlen, im anderen dagegen 10.500 Euro weniger. Weil aber der Bodenrichtwert sowohl für den Kruichling als auch für die Bohnau mit 230 Euro angegeben ist, ist die Grundsteuerlast in diesen Fällen tatsächlich besser nachvollziehbar.
Debatte über Sinn und Unsinn der Reform
Auf neu entstehende Ungerechtigkeiten bei der Grundsteuer ging im Kirchheimer Gemeinderat der AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Berthold ein: „Ä ältere Häuser mit vergleichsweise großen Grundstücken werden deutlich höher belastet. Das betrifft häufig ältere Leute, die schon sehr lange dort wohnen.“ Er forderte deshalb, den Hebesatz so festzulegen, dass es im Einzelfall nicht zu einer Erhöhung von mehr als 30 Prozent komme.
SPD-Stadträtin Marianne Gmelin ging gleich auf diesen Punkt ein und stellte fest: „Es wäre schön, wenn wir auf diese Weise Menschen entgegenkommen könnten, die dadurch in Existenznöte geraten. Aber das können wir leider nicht.“ Es kann für die Grundsteuer B eben nur einen Hebesatz geben, der in ganz Kirchheim zur Anwendung kommt.
Deshalb dachte Marianne Gmelin lieber laut über eine „Grundsteuer C“ nach, die für „Enkelgrundstücke“ zur Anwendung kommen könnte. Zugleich warnte sie aber selbst vor dieser Idee: „Das wäre wahrscheinlich so kompliziert, dass man da besser die Finger davon lässt.“
Was sie aber monierte, war der einstige Beschluss für einen gemeinsamen Gutachterausschuss im Kreis: „Jetzt haben wir Gartengrundstücke, die gar nicht bebaubar sind, die aber denselben Bodenrichtwert haben wie die Häuser, die direkt daneben stehen. Ein örtlicher Gutachterausschuss hätte das vielleicht anders geregelt.“
Für Ralf Gerber (Freie Wähler) ist es besonders wichtig, dass die Grundsteuerreform für die Stadt Kirchheim tatsächlich aufkommensneutral ausfällt. „Deswegen haben wir im Gemeinderat Wert darauf gelegt, dass der Hebesatz nicht im Vorfeld erhöht worden ist.“ Was die Ungerechtigkeiten betrifft, die durch die Reform neu entstehen, meinte er: „Wir müssen jetzt das ausführen, was uns die Landesregierung eingebrockt hat.“
Noch ist dabei allerdings das letzte Wort nicht gesprochen, denn Oberbürgermeister Pascal Bader hatte bereits einleitend darauf verwiesen, dass die Vorgehensweise des Landes Baden-Württemberg vor Gericht standhalten müsse. Falls nicht, beginnt alles noch einmal von vorn.
Was dagegen bleiben dürfte, ist der Beschluss des Gemeinderats, die Hebesätze künftig von der Haushaltssatzung abzukoppeln und sie in einer eigenen Hebesatzsatzung festzuschreiben. Die aktuelle Satzung sieht außer der 203 für die Grundsteuer B eine 225 für die Grundsteuer A vor sowie 390 vom Hundert für die Gewerbesteuer, die sich dadurch nicht verändert. vol