Mit dem Sound seiner Big Band setzte Duke Ellington neue Maßstäbe. Den Jazz erhob der brillante Klangkünstler zur ernsthaften Kunstform. Weltweit wurde im vergangenen Jahr seines 125. Geburtstags gedacht. Doch wie nähert man sich Ellingtons Vermächtnis, ohne in Nostalgie oder Bilderstürmerei zu verfallen? Pianistin Aki Takase und Saxophonist Daniel Erdmann zeigten im Club Bastion, wie das geht.
Den „Duke“ steckten sie kurzerhand in die Destille. Als Konzentrat einer großen Tradition barg die gewonnene Essenz eine Fülle an Innovation, die das Duo in einem Kaleidoskop verblüffender Spielarten entfaltete. Selbst das radikale Mittel der Dekonstruktion warf erhellende Schlaglichter auf Ellington. Zerlegt wurde dabei nichts, wohl aber Zugänge eröffnet. So erklang die ikonisch fließende Melodie von „In a sentimental mood“ intervallisch gebrochen, scheinbar ihrer Wiedererkennbarkeit beraubt. Gleichwohl feierte der Klassiker atmosphärische Auferstehung. Denn es ist die spezifische Stimmung, die titelgebende „mood“, die dem Stück noch jenseits motivischer Muster Identität verleiht. Jedenfalls dann, wenn es in Händen meisterlicher Interpreten liegt, bei denen Empathie, Witz und Intelligenz so fruchtbar ineinandergreifen, wie es bei Takase und Erdmann zu erleben war.
Vertraute Pfade und freie Improvisation
Auch die Strategie des klanglichen Gegenbilds kam zum Einsatz. „Cotton Tail“ ist eine der hart swingenden Nummern Ellingtons. Bei Takase und Erdmann hingegen standen Klangflächen von impressionistischer Schönheit im Raum. Momente ästhetischer Reflektion prägten ihre Interpretation von „Caravan“. Mit seinem markanten Riff zählt das Stück zu Ellingtons größten Erfolgen. Auch Takase und Erdmann folgten diesen vertrauten Pfaden, bevor sie sich in freier Improvisation über den Fortgang der Musik zu verständigen schienen.
Motivische Reduktion bestimmte ihren Zugang zu „Perdido“. Allein das Anzitieren der ersten drei Töne setzte mitreißenden kontrapunktischen Esprit frei, wohingegen „African Flower“ als lyrisches Kleinod kredenzt wurde. Dass beide Musiker eine langjährige Zusammenarbeit verbindet, war nicht zu überhören. Ihr frappierend perfektes Zusammenspiel nennt die Musikkritik „telepathisch“. Am Sopran- und Tenorsaxofon zeigte sich Erdmann nicht nur als „Virtuose der gehauchten Töne“, als den ihn die Fachpresse feiert. Sein Spiel umfasste eruptive Gesten wie romantische Melancholie. Takase handhabte das Idiom des Harlem Stride Pianos ebenso meisterhaft wie avantgardistische Spieltechniken. Bereits der „Duke“ hatte mit Verzerrung, Verfremdung und Atonalität experimentiert.
Als Bindeglied zwischen Tradition und Avantgarde erwies sich Ellington als hochanschlussfähig für die Abenteuerlust des Duos, das sein famoses Programm mit eigenen Kompositionen bereicherte. Das Publikum im Club Bastion erlebte einen großartigen Konzertabend und eine würdige Hommage an Altmeister Ellington, deren Schlusspunkt die musikalische Reverenz eines anderen Giganten des Jazz bildete: Charles Mingus’ Ballade „Duke Ellingtons Sound of Love“.