Um dem Fachkräftemangel wirksam begegnen zu können, braucht es dringend einen Zuzug aus dem Ausland: Während das innerhalb der EU kein allzu großes Problem darstellt, sind die bürokratischen Hürden für Menschen aus „Drittstaaten“ – also aus dem Nicht-EU-Ausland – vergleichsweise hoch. Dieses Problems hat sich die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart angenommen: „Wir haben ein vierköpfiges Team aufgebaut, das sich ausschließlich auf die Fragen des Fachkräftezuzugs aus Drittstaaten spezialisiert hat“, berichtet Christoph Nold, der leitende Geschäftsführer der Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen.
„Wir wissen nicht nur theoretisch, wie das geht, wir haben auch bereits genügend Erfahrung in der Praxis gesammelt.“ Ein wesentliches Problem aus dieser Praxis: „Irgendwo in den Antragsunterlagen fehlt noch eine Anlage oder auch eine Unterschrift – und schon sind drei Monate vorbei.“ Das ist keine Übertreibung, sondern Erfahrung. Anstatt aber über den Amtsschimmel zu schimpfen, will die IHK in diesem Fall eine „Bündelungsfunktion“ übernehmen: „Wir beraten Unternehmen, indem wir erst einmal gemeinsam darüber nachdenken, welches von vielen unterschiedlichen Verfahren überhaupt das richtige ist.“ Wichtig sei es, die Weichen frühzeitig zu stellen. „Wer da einmal falsch abbiegt, verliert viel Zeit.“
Und wenn es ganz dumm läuft, verliert der Betrieb sogar den neuen Mitarbeiter. Christoph Nold führt das Beispiel einer Ärztin an, die statt in Baden-Württemberg schließlich in Österreich angekommen ist, weil es dort wesentlich schneller ging. Beim Fachkräftezuzug geht es um Menschen aus allen möglichen Ländern in den unterschiedlichsten Branchen. Das reicht von Pflegekräften aus Asien bis hin zu Wissenschaftlern, die den USA den Rücken zukehren wollen, weil die aktuelle Politik den Wissenschaftsbetrieb dort zu sehr gängeln möchte.
Mehr als nur Einzelfälle
Dabei geht es nicht nur um Einzelfälle. Christoph Nold spricht von 400.000 bis 500.000 Fachkräften, die derzeit jedes Jahr aus dem Berufsleben ausscheiden und deren Stellen nur durch Fachkräfte aus dem Ausland besetzt werden können: „Das sind Auswirkungen des demografischen Wandels, der jetzt erst so richtig anläuft.“
Für besonders wichtig hält er es, in diesem Fall nicht alles in einen Topf zu werfen: „In unserem Fall geht es weder um Asylrecht noch um ungebremste Zuwanderung oder um Ausreisepflichtige.“ Das alles aber sind Themen, mit denen es die Ausländerbehörden zu tun haben. Die Zuwanderung von Fachkräften, die bereits einen Arbeitsvertrag haben, nimmt da vergleichsweise wenig Zeit bei den Behörden in Anspruch. Um die Unterlagen zu bearbeiten, braucht es aber trotzdem entsprechend viel Zeit.
Genau das soll sich durch die beratende Funktion der IHK verringern: „Wenn sichergestellt ist, dass keine Unterlagen fehlen und dass alles richtig geordnet und unterschrieben ist, geht die Bearbeitung in den Rathäusern viel schneller. Und damit ist allen Beteiligten weitergeholfen.“
Teil der Wirtschaftsförderung
Aus diesem Grund haben Christoph Nold und Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader jetzt einen entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichnet. „Für uns gibt es da gleich mehrere Vorteile“, sagt Pascal Bader: „Eine gut vorbereitete Antragstellung entlastet unsere Ausländerbehörde enorm. Und wir haben auch in Kirchheim viele Unternehmen, die auf diese Fachkräfte angewiesen sind. Wenn der Zuzug schneller und mit einem geringeren bürokratischen Aufwand erfolgen kann, gehört das auch zur Wirtschaftsförderung.“
Um keine Parallelstrukturen zu schaffen, ist auch die Handwerkskammer Region Stuttgart an der Kooperation beteiligt. Das IHK-Team kümmert sich folglich auch um Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für Arbeitskräfte, die Stellen in Handwerksbetrieben annehmen sollen.
Bis Ende 2025 will die IHK solche Kooperationen mit allen Großen Kreisstädten in der Region abgeschlossen haben. Für kleinere Kommunen ist das Landratsamt zuständig. Eine entsprechende Vereinbarung mit dem Landkreis Esslingen besteht bereits.
