Jubiläum
Kirchheim probt den Aufstand

500 Jahre nach dem Bauernkrieg hat die Stadt am Fuß der Teck ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt, um an die Erhebung sowie an den Kampf um Freiheit und Gleichheit zu erinnern.

Die Teck präsentiert sich längst schon wieder wie eine Trutzburg. Doch fast der gesamte Gebäudebestand stammt aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die mittelalterliche Burg war im Mai 1525 als Symbol der verhassten Feudalherrschaft nahezu komplett zerstört worden.       Foto: Carsten Riedl

Freiheit – im Lauf der Geschichte ist dieser Begriff immer wieder neu definiert worden, und immer war die Freiheit umkämpft. Vor 500 Jahren hieß die Parole „fryheit“, mit mittelhochdeutsch langem „i“, wie es sich bis heute in der Schweiz oder in Südbaden erhalten hat. „Fryheit unter Teck“ ist somit ein gelungener Titel für das Jubiläumsjahr des Bauernkriegs von 1525. Der damalige Drang nach Freiheit ist bis heute sichtbar, wenn auch nicht unter der Teck, sondern auf der Teck: Die Bebauung auf dem Teckberg, wie sie sich heute darstellt, hat längst nichts mehr mit dem mittelalterlichen Stammsitz der einstigen Teck-Herzöge zu tun. Die alte Burg Teck wurde im Mai 1525 nahezu vollständig zerstört.

Die Teck muss weg!

Titel eines Theaterstücks zum Bauernkriegsjubiläum in Kirchheim

 

Die Stimmung im Bauernlager drückt der Titel eines Theaterstücks aus, das Mitte Mai gleich drei Mal in der Kirchheimer Stadthalle aufgeführt wird: „Die Teck muss weg!“ Geschrieben hat es Jörg Ehni, nach historischen Fakten, die er aus Kirchheim erhalten hat. Musiker und Darsteller stammen allesamt aus der Gegend: Es spielt einerseits die Theater-AG des Ludwig-Uhland-Gymnasiums und andererseits ein Ensemble des Kirchheimer Volkshochschulorchesters. Den Gesang steuert ein Chor bei, der sich aus Mitarbeitern der Stadtverwaltung rekrutiert. Tickets sind bereits erhältlich.

Die Stiftung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen unterstützt das Kirchheimer Bauernkriegsprogramm „Fryheit unter Teck“ mit 2500 Euro.         Foto: Andreas Volz

Dass die Teck 1525 „weg musste“, ist mehr als bedauerlich. Aus damaliger Sicht waren solche Burgen allerdings das Symbol der Feudalherrschaft, gegen die sich nicht nur die Landbevölkerung auflehnte, sondern auch Handwerker und städtisches Kleinbürgertum. Kirchheims Stadtarchivar und Kulturabteilungsleiter Frank Bauer verweist allerdings auf ganz unterschiedliche Strömungen unter den Beteiligten, die sich da gegen die Obrigkeit wandten: „Die Bauern sprachen nie mit einer Stimme. Es ging immer um die Frage, ob sie Gewalt anwenden oder lieber verhandeln sollen.“

Mehr Reform als Revolution

Zunächst stand die Reform der Ständegesellschaft im Fokus. Zur Forderung nach Freiheit gesellte sich auch die Forderung nach Gleichheit, was wichtige Parolen der Französischen Revolution vorwegnimmt. Um Demokratie im heutigen Sinn ging es gleichwohl nicht: Die Bauern forderten – je nach Situation und Herrschaft in ihrem Landstrich – die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Entlastung von Frondiensten, das Recht auf Jagd und Fischfang oder auch eine Senkung der drückenden Abgabenlast. Letzteres ist sicher ein deutlicher Bezug zur Gegenwart. Alles andere ist längst überwunden – oder nicht mehr wichtig.

Dass ein Aufständischer in einem der gezeichneten Aufsteller, die von der kommenden Woche an in Kirchheims Innenstadt zu sehen sind, ein Hirschgeweih trägt, hat aber nichts mit der Forderung nach freier Ausübung der Jagd zu tun. Es verweist vielmehr auf eine Sondersituation im Herzogtum Württemberg, wie Frank Bauer hervorhebt: „Herzog Ulrich war seit 1519 vertrieben, und Württemberg war habsburgisch geworden. Die württembergische Hirschstange ist somit auch ein Zeichen des Widerstands gegen die Besatzer gewesen.“ Folglich zeigt schon allein dieses Detail, dass es den Bauern vor 500 Jahren eher nicht darum gegangen ist, die Obrigkeit zu stürzen. In Württemberg kämpften sie sogar für ihre angestammte Obrigkeit – und das, obwohl der Herzog in seiner Anfangszeit ein typischer Renaissance-Fürst war, für dessen Regierungshandeln die eigene Willkür Richtschnur war.

Kampf gegen das Vergessen

Das „Jubiläum“ als solches sieht Frank Bauer – der sich nicht nur seines Nachnamens wegen ausführlich mit dem Thema befasst – durchaus zwiespältig: „Aus Sicht der Bauern war der Bauernkrieg ja weder ein schönes noch ein erfolgreiches Ereignis.“ Trotzdem ist es ihm wichtig, an diesen „vergessenen Kampf“ zu erinnern, bei dem im heutigen Südwestdeutschland 70.000 bis 100.000 Tote zu beklagen gewesen seien. „Das war der größte Aufstand in Europa vor der Französischen Revolution. Das Geschehen stand später allerdings immer im Schatten des 30-Jährigen Kriegs, der 100 Jahre nach dem Bauernkrieg getobt hat.“

Vorausgegangen waren dem Bauernkrieg kleinere, lokal begrenzte Rebellionen wie der Bundschuh oder der Arme Konrad, betont Frank Bauer. Interessant ist es für ihn, dass im vergangenen Jahr bei den Protesten der Landwirte immer wieder auch das Symbol des Bundschuhs auftauchte – als Zeichen dafür, dass sich die Protestbewegung in eine lange Tradition einreihen wollte.

Frank Bauer präsentiert einen Streitkolben – allerdings als ein altes Theaterrequisit und nicht als ein Original von 1525.              Foto: Andreas Volz

Der Bauernkrieg bestimmt das Geschehen in und um Kirchheim während des gesamten Jubiläumsjahrs: Zahlreiche Expertenvorträge stehen an oder auch Wanderungen zur Teck. Am 13. Juli gibt es einen Aktionstag auf dem Kirchheimer Marktplatz – unter dem Titel „Uff­rur!“ Dabei wird den Gästen die Ungleichheit der einstigen Ständegesellschaft plastisch vor Augen geführt. Der abschließende Höhepunkt ist am 23. Oktober die Präsentation des neuen Bands aus der Schriftenreihe des Stadtarchivs, der ausschließlich dem Thema Bauernkrieg gewidmet ist.

Im Stadtarchiv selbst hat sich übrigens etwas Ungewöhnliches erhalten: passende Kostüme und Requisiten aus der Zeit, als es in Kirchheim eine Theatertradition gab, für die vor allem der Name Bruno Mader steht. Frank Bauer hat dieses Material zufällig im Dachgeschoss des Archivgebäudes gefunden – gerade noch rechtzeitig, um die Theater-Truppe des Ludwig-Uhland-Gymnasiums damit ausstatten zu können. Fazit: Rund um den Bauernkrieg macht Kirchheim also nicht zum ersten Mal ein „großes Theater“.