Randnotiz
Kirchheims „Schildbürger“

Ein Triumvirat perfektioniert die Arbeits- und Gewaltenteilung im nächtlichen Kirchheim.

Das nächtliche Werk der Kirchheimer „Schildbürger“ bei Tageslicht betrachtet. Die neu angeordnete Beschilderung besagt: Durchgang und Durchfahrt in die untere Max-Eyth-Straße sind nicht komplett gesperrt. Eine Umleitung ist eingerichtet.       Foto: Andreas Volz

Nachts in Kirchheim: Da lässt sich etwas über Arbeits- und Gewaltenteilung lernen. Bekanntlich gibt es die gesetzgebende Gewalt (Legislative), die ausführende Gewalt (Exekutive) und die rechtsprechende Gewalt (Judikative). Hinzu kommt als „Vierte Gewalt“ – wenn auch weniger offiziell – die freie Presse.

Nachts in Kirchheim: Drei obskure Gestalten stellen am Max-Eyth-Haus Baustellenschilder um. Handelt es sich um Schildbürger, die einen Streich spielen – nachdem sie zu lange im Wirtshaus gesessen waren? Nein, es sind drei honorige Bürger: Zwei sind gewählte Mitglieder des Gemeinderats (Legislative). Der Dritte im Bunde ist ebenfalls gewählt. Er leitet sogar die Sitzungen: der Oberbürgermeister (Exekutive). Die drei kommen auch nicht aus dem Wirtshaus, sondern aus dem Rathaus – von einer Ausschusssitzung.

Hinzu kommt die „Vierte Gewalt“, die freie Presse, und fragt sich sowie die drei Akteure, was da zu nächtlicher Stunde vor sich geht. Kurz fühlt sich die Dreierbande ertappt, klärt dann aber auf: Die Beschilderung sei missverständlich. Verbotsschilder für den Fuß- und Radverkehr scheinen anzuzeigen, dass die Max-Eyth-Straße nicht durchgängig passierbar ist, dass die Alleenstraße also wegen der aktuellen Baustelle auch in dieser Richtung gesperrt wäre.

Wer die Schilder auf Höhe des Rathauses sieht, wird also möglicherweise gar nicht erst versuchen, in Richtung Postplatz zu gelangen. Und wofür hätte man die untere Max-Eyth-Straße dann vor rund 15 Jahren zur Fußgängerzone umgestaltet, wenn sie durch diese Schilder für unerreichbar erklärt wird?

Die drei honorigen Herren haben sich also kurzerhand zum Triumvirat erklärt und die Sache selbst in die Hand genommen, als „Revolution von oben“: Nieder mit den Verbotsschildern! Stattdessen rücken sie die gelben Schilder als Hinweis auf die vorhandene Umleitung in die Mitte.

O glückliches Kirchheim – du Stadt, in der Gemeinderat und Oberbürgermeister Hand in Hand zusammenarbeiten. Sogar des Nachts, nach Feierabend!

Allerdings beäugt ein Baukontrolleur das Treiben der Triumvirn äußerst kritisch. Also gibt sich der „Oberschildbürgermeis­ter“ zu erkennen und sagt, dass alles rechtens ist. Gemeinsam sei eine spontane Anordnung ebenso spontan vollzogen worden.

Und die Judikative? Muss sich damit gar nicht erst beschäftigen. Ein Schildbürger­streich als Lehrbeispiel der Demokratie.

Völker der Welt, schaut auf diese Stadt: Weltmächte wie die USA, Russland und China hätten allen Grund dazu, sich Kirchheim zum Exempel zu nehmen!