Deutliche Worte gab es bei der 1. Mai-Kundgebung in Kirchheim. Gemeinsam wurde von den rund 200 Anwesenden ein klares Zeichen für soziale Gerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und Solidarität gesetzt. Bei strahlendem Sonnenschein sorgte die Band „Die Zwei“ für die musikalische Begleitung – und auf der Bühne wurde Klartext gesprochen. Oberbürgermeister Pascal Bader verwies in seinem Grußwort auf wirtschaftliche Herausforderungen durch Strukturwandel und internationale Handelshemmnisse. Für eine starke kommunale Wirtschaft sei die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften unerlässlich.
Die Hauptrednerin Doreen Bormann, Gewerkschaftssekretärin von ver.di Neckar-Fils-Alb, schlug den Bogen zu ihrem letzten Besuch in Kirchheim: „Damals streikten wir mitten in der Tarifrunde mit Beschäftigten aus Kitas, Verwaltungen, Stadtwerken und der medius Klinik.“ Besonders eindrucksvoll sei das Engagement der Klinikbeschäftigten gewesen, die überwiegend zum ersten Mal streikten: „Die Geschäftsführung der Klinik hatte nicht damit gerechnet, dass die Belegschaft ihre Arbeitsbedingungen selbst in die Hand nimmt. Sie haben uns unterschätzt – und das haben sie bitter zu spüren bekommen.“
Lage in der Pflege dramatisch
Das Beispiel zeige, wie dramatisch die Lage in der Pflege sei: „Pflegekräfte arbeiten bis zur Erschöpfung, Stationen sind unterbesetzt, Kollegen kündigen. Das ist trauriger Alltag.“ Ursache sei ein profitorientiertes System: „Wie alles im Kapitalismus stehen auch Krankenhäuser unter dem Zwang, Gewinne zu erwirtschaften.“ Zur geplanten Krankenhausreform sagte Bormann: „Gut, dass SPD und CDU nun eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung sicherstellen wollen. Aber bis dahin braucht es finanzielle Überbrückung – Klinikschließungen dürfen keinesfalls die Folge sein.“ Bormann kritisierte zudem die sinkende Tarifbindung: „Aktuell sind rund die Hälfte der Beschäftigten in Betrieben ohne Tarifbindung. Arbeitgeber flüchten aus der Verantwortung und klagen gleichzeitig über Fachkräftemangel – das ist paradox!“
Ohne Tarifverträge gebe es geringere Löhne, weniger soziale Absicherung und sinkende Kaufkraft. Die Bundesregierung müsse hier handeln. Positiv hob sie Kirchheim hervor: „Mit dem ‚Schwäbischen Standard‘ für gute Arbeit prüft die Stadt Kirchheim bei öffentlichen Aufträgen, ob Unternehmen Tarifverträge anwenden.“ Bormann betonte die Bedeutung des Streikrechts als zentrales Instrument: „Wer Flexibilität bei der Arbeit will, soll Tarifverträge abschließen. Sie schützen Gesundheit und sorgen für faire Bedingungen.“ Auch Frauenrechte seien gefährdet: „Die Ungleichheit im Erwerbsleben ist eng verknüpft mit der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit. Jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit – meist unfreiwillig. Equal pay gibt es nur mit equal care!“
Für Amnesty International appellierte Marianne Gmelin an die Versammelten, inhaftierte Gewerkschafter weltweit zu unterstützen. „Sie kämpfen für Rechte, die bei uns oft selbstverständlich erscheinen.“ Heinrich Brinker (DGB und Attac) erinnerte an den Bauernkrieg vor 500 Jahren. Damals wie heute gehe es um Gerechtigkeit: „Während Superreiche im Überfluss leben, kämpfen viele um das tägliche Auskommen.“ Er kritisierte die rasant steigenden Rüstungsausgaben: „Für Waffen sind plötzlich unbegrenzte Mittel da – aber Investitionen in Bildung, Gesundheit und Wohnen stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“ Gemeinsam mit Bündnissen wie „Vermögen besteuern jetzt“ fordert er: „Milliardäre sollen endlich ihren Beitrag leisten.“
Eylem Aslan-Bilir vom Kirchheimer Volkshaus erinnerte zum Abschluss an die Errungenschaften der Arbeiterbewegung – vom Achtstundentag über das Streikrecht bis zum Mutterschutz: „All das wurde hart erkämpft. Heute kämpfen wir weiter – für bezahlbare Wohnungen, moderne Schulen, Kitaplätze, gute Krankenhäuser.“ Auch sie wandte sich entschieden gegen Aufrüstung: „Diese Waffen, die mehr kosten als alle Ausgaben für Soziales, Gesundheit und Bildung zusammen, werden irgendwann eingesetzt – wenn wir es nicht verhindern.“ Am Ende stand ein klares Bekenntnis: „Wenn wir unsere Arbeits- und Lebensbedingungen in die eigene Hand nehmen, wenn wir uns nicht spalten lassen zwischen oben und unten, sondern dafür sorgen, dass Solidarität gewinnt – dann können wir als Gewerkschaften wieder in die Offensive kommen“, sagte Bormann – und sprach damit vielen aus dem Herzen.