Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hat vor einigen Tagen im Neuen Schloss über die geplanten Schließungen der Notarztpraxen im Land informiert. Betroffen davon ist auch die Notfallpraxis in Kirchheim. Im Vorfeld der Veranstaltung im Schloss hatte der FDP-Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Nürtingen, Dennis Birnstock, der an dem Abend dabei war, eine Kleine Anfrage an die Landesregierung zur Notfallversorgung im Landkreis Esslingen gestellt. „Die Antworten, die durch den Sozialminister Manne Lucha erfolgten, räumen Befürchtungen leider nicht aus“, sagt der Politiker.
Birnstock kritisiert Antworten
Sein Fazit der Antworten: „Die Notaufnahme der Medius-Klinik in Kirchheim wird sehenden Auges stärker belastet als bisher. Der Klinikträger spricht bereits von starken Steigerungen des Patientenaufkommens von 44 Prozent im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr durch die Veränderung von Betriebszeiten der Bereitschaftspraxen im Landkreis.“ Statt zu beleuchten, wie die Notfallpraxis aufrechterhalten werden könne, werde in der Antwort auf ominöse Maßnahmen verwiesen, die eine Überlastung der Notaufnahme in Kirchheim verhindern sollen, kritisiert Birnstock. Leider regiere hier das Prinzip Hoffnung. Diese sei mit der Wirklichkeit nur schwer in Einklang zu bringen. Die Landesregierung beziehungsweise Manne Lucha, verweist darauf, dass die KVBW angekündigt habe, bereits bestehende Standorte je nach Bedarf um zusätzliche Arztschichten zu erweitern. Zudem bestehe die Versorgungsstruktur nicht allein aus Bereitschaftspraxen, sondern auch aus dem aufsuchenden Fahrdienst und der telemedizinischen Ersteinschätzung (Patientenservice, Telefon 116117).
Die Patienten von außerhalb des Landkreises Esslingen, davon geht Birnstock aus, werden vermutlich weiterhin Kirchheim ansteuern und nicht die weiter entfernt liegenden Praxen des Landkreises aufsuchen, wie es erhofft wird. „Auch die Hoffnung, die Telemedizin würde Patienten übernehmen können, greift ins Leere“, sagt der FDP-Politiker. Die Techniker-Krankenkasse habe erst 2023 festgestellt, dass dieses Angebot seit dem Ende der Pandemie immer seltener genutzt werde und ein Einbruch von fast 50 Prozent zu erkennen sei. Das müsse sich ändern: Die wichtigen telemedizinischen Möglichkeiten müssen ausgebaut und vor allem bekannter gemacht werden.
Kenner moniert fehlende Kommunikation
Auch der SPD Landtagsabgeordnete Andreas Kenner (Wahlkreis Kirchheim) kritisiert die Informationspolitik der KVBW in Bezug auf die Schließung weiterer 18 Notfallpraxen in Baden-Württemberg. Die Praxen sollen demnach Schritt für Schritt ihren Betrieb einstellen, die letzten fünf Ende November 2025. Die ersten drei Praxen sollen bereits Ende März kommenden Jahres schließen. Die Notfallpraxis in Kirchheim soll demnach bereits zum 31. März die Arbeit einstellen. Das habe die KVBW bei dem Treffen mit Bürgermeistern, Landräten und Abgeordneten in Stuttgart mitgeteilt. Außer den Schließungsterminen nannte die KVBW sogenannte „Auffangpraxen“, die einem Sprecher zufolge voraussichtlich die meisten zusätzlichen Patienten aus den schließenden Praxen aufnehmen sollen. Diese Praxen würden erweitert, etwa durch längere Öffnungszeiten, mehr Ärzte vor Ort oder auch beides. Auch sollen die Telemedizin und ärztliche Fahrdienste zu immobilen Patienten ausgebaut werden.
„Sehr deutlich wurde bei der Vorstellung des Notfallpraxis-Konzeptes durch die KVBW der Dissens mit den Krankenhäuser“, schreibt Kenner. So habe Matthias Einwag, der Hauptgeschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg, erklärt, dass bevor Notfallpraxen geschlossen werden können, die Telemedizin und die Patientensteuerung und der Ausbau der verbleibenden Praxen abgeschlossen und funktionsfähig sein müssen.
Verwunderung über Minister Lucha
Dem stimmt Andreas Kenner auch in Bezug auf die Notfallpraxis in Kirchheim absolut zu. Auch die Kritik des Karlsruher Oberbürgermeisters und Präsidenten des Städtetages Baden-Württemberg, Frank Mentrup, unterstützt er ausdrücklich. Mentrup hatte gefordert, dass man erstmal ein Jahr des Dialogs brauche, bevor entscheidende Schritte umgesetzt werden könnten.
Alle anwesenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landräte haben laut Kenner erklärt, dass sie quasi aus der Zeitung von den beschlossenen Schließungen der Notfallpraxen in ihren Städten und Kreisen erfahren haben. Dazu sagt Andreas Kenner: „Eine gute Zusammenarbeit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger sieht anders aus und die KVBW sollte schon zur Kenntnis nehmen, dass es die Städte und Gemeinden sind, die für die Daseinsvorsorge der Menschen Verantwortung tragen.“
Am allermeisten zeigt sich Andreas Kenner darüber verwundert, dass der Baden-Württembergische Sozialminister Manne Lucha, die Pläne zur Schließung weiterer 18 Notfallpraxen nicht nur nicht infrage stellt, sondern quasi als alternativlos erachtet.