Konzert
Legendäre Schubkraft

Das Schlippenbach-Trio gab im Kirchheimer Club Bastion ein gefeiertes Konzert. Alexander von Schlippenbach erhielt dieses Jahr den Deutschen Jazzpreis gleich zweimal.

Alexander von Schlippenbach hat auch mit 86 Jahren nichts von seiner Präsenz am Piano verloren. Foto: Florian Stegmaier

Der Mann ist eine Jazz-Legende. Und seit Jahrzehnten künstlerischer Stammgast im Kirchheimer Club Bastion. Alexander von Schlippenbach hat dieses Jahr den Deutschen Jazz-Preis erhalten. Sogar zweimal: für sein Schaffen als Pianist und für sein Lebenswerk. Denn Schlippenbach ist einer der kreativsten Köpfe der Szene. Die Identität des Jazz hat er geprägt wie wenige sonst. Nicht nur in Deutschland, auch international. 1966 rief er das „Globe Unity Orchestra“ ins Leben. Ein folgenreicher Schritt, auch für die solistische Reichweite des Free-Jazz-Pioniers Schlippenbach. Ende der 80er-Jahre versammelte er handverlesene Avantgarde-Musiker im „Berlin Contemporary Jazz Orchestra“.

Trio mit Kultstatus

Ein Jahrzehnt später würdigte Schlippenbach den „Genius of modern music“ und nahm das Gesamtwerk Thelonious Monks auf. Auch Kirchheimer Jazzfreunde werden sich noch lebhaft an „Monks Casino“ im Club Bastion erinnern. Kultstatus besitzt Schlippenbachs Trio mit Evan Parker und Paul Lovens. Die 1970 gegründete Formation dürfte weltweit die dienstälteste ihrer Art sein. Den kathartisch explodierenden Sound des Trios feierte man als Ausdruck der Revolution.

Die Musiker waren jedoch weise genug, atemlosen Überschwang nicht zum Klischee zu machen. Längst sind die aufbrausenden Gesten ihrer Anfangszeit dem Bemühen um Finesse und Klarheit gewichen. Unlängst erlebte das Trio eine Verjüngung. Mit Bassklarinettist Rudi Mahall und Schlagzeuger Dag Magnus Narvesen stand in der Bastion eine Neuauflage auf der Bühne, die auch Fans der ersten Stunde begeisterte. Was Improvisation bedeutet, definiert das Schlippenbach-Trio stets neu. Denn Schlippenbach, Mahall und Narvesen hören nicht nur besser als die meisten anderen, sie erahnen auch schneller als sie hören. Stellt einer der Spieler eine Klangfläche in den Raum, dient sie den Mitstreitern als Widerlager, um eigene Hebel anzusetzen. In schöner Regelmäßigkeit zündet das permanente Ringen um kollektive Gestalt als explosives Gemisch.

Technische Panne einfach eingebaut

Um geniale Funken zu schlagen, bedarf es der Reibungsfläche. Da kann mitunter eine Panne hilfreich sein. Zur zweiten Konzerthälfte sendete die Verstärkeranlage der Bastion eine wiederkehrende Folge von Klopfgeräuschen. Andere Musiker würden die Arbeit niederlegen. Das Schlippenbach-Trio hingegen fing den Geist aus der Maschine ein und nutzte dessen Signale als improvisatorischen Brandbeschleuniger.

Doch die energetische Dichte des Konzerts ging nicht allein auf die Konten von Mahall und Narvesen. 86 Jahre zählt Alexander von Schlippenbach mittlerweile. Seiner pianistischen Präsenz hat der Zahn der Zeit nichts anhaben können. Im Gegenteil. Von der musikalischen Schubkraft, die der Altmeister frappierend mühelos freisetzte, dürften manch Jüngere träumen. Keine Frage: Die Legende lebt – aber nicht von ihrer eigenen Geschichte, sondern durch zukunftsweisende Innovation, die seit je das Signum großer Künstler ist.