Erfolg
„Links am Bach“ jetzt eine Stiftung

Nach zwei Jahren komplizierter Vorbereitungen ist „Links am Bach“ in Ötlingen nun eine gemeinnützige Stiftung. Damit ist der Erhalt des idyllischen und vielseitigen Anwesens dauerhaft gesichert. 

"Links am Bach" wird eine gemeinnützige Stiftung. Deshalb wurde gefeiert (von links): Urs Kaiser und Günther Gerstenberger (beide Geschäftsführender Vorstand der Stiftung) und Gerlinde Rakoczy, Stifterin und Mitglied des Stiftungsrats. Foto: Peter Dietrich

Hätte sie vorher gewusst, wie schwierig so eine Stiftungsgründung ist, sagte die bisherige Eigentümerin Gerlinde Rakoczy, hätte sie den Verbleib des Anwesens in der Linkstraße 19 stattdessen testamentarisch geregelt. Doch nun ist alles schon jetzt gemacht. Gerlinde Rakoczy, die ohne Nachfahren ist, brachte Grundstück und Gebäude in die neue Stiftung „linksambach“ ein, der gemeinnützige, anthroposophische Verein Michaelshof-Ziegelhütte mit Sitz in Weilheim eine sechsstellige Geldsumme. Den Geschäftsführenden Vorstand der neuen Stiftung, die nun das Seminar- und Gästehaus betreibt, bilden Urs Kaiser und Günter Gerstenberger. Gerlinde Rakoczy ist Mitglied des Stiftungsrats.

Das ganze Wirtschaftssystem sei darauf ausgerichtet, Gewinn zu machen, sagte Urs Kaiser. „Wenn jemand etwas verschenken will, steht das ganze System Kopf.“ Die Weitergabe eines milliardenschweren Autokonzerns werde politisch problemlos möglich gemacht – aber darunter? Da gibt es die Grunderwerbssteuer und andere Schwierigkeiten, und der kluge Rat von Anwälten ist gefragt.

Gelänge das große Grundstück in die Hände eines kommerziellen Investors, dann wäre für Günter Gerstenberger klar, was passieren würde: Alles abreißen und neu zubauen. Doch das Gäste- und Seminarhaus sei „ein Ort, der sich der kapitalistischen Verwertungslogik entzieht“, sagte Doris Bergermann bei der Stiftungsgründungsfeier. Sie ist mit Gerlinde Rakoczy befreundet und nahm deren Einladung als Gastrednerin gerne an. Während die Tech-Giganten Bunker bauten und von der Flucht zum Mars träumten, solle in der Linkstraße 19 ein Modell für ein neues gesellschaftliches Miteinander gelebt werden, sagte sie. Natürlich ökologisch und nachhaltig, mit Feiern und „köstlich biospeisen“. „Wenn ich dieses Haus betrete, spüre ich im ersten Moment, dass dieses Haus eine Seele hat.“

Weil Oberbürgermeister Pascal Bader bei einer Bundesverdienstkreuzverleihung war, sprang Bürgermeisterin Christine Kullen für ihn ein. „Ich war noch nie hier, aber ich bin begeistert“, sagte sie zu dem „Ort, der Menschen in den Mittelpunkt stellt“. „Links am Bach“ passe gut in die Bildungs- und Seminarlandschaft der Stadt Kirchheim. Christine Kullen nahm sich ausgiebig Zeit, um bei einem Rundgang auch noch den letzten Winkel des Geländes zu erkunden – vorbei an der Tanzwiese bis ganz hinüber zur Holzbank, auf der man seine Beine über der Lauter schwingen lassen kann.

Auf dem Gelände ahnt man kaum, dass es so nahe in der Stadt liegt. Es ist ruhig und durch den Bach auch in heißen Sommern angenehm schattig und kühl. Es gibt zwei Seminarräume, im Anbau arbeitet eine Therapeutin mit verhaltensauffälligen Kindern und es ist eine Kunstdruckerei untergebracht. In einem kleinen Holzhäuschen auf Rädern gibt es eine Sauna, und es gibt einen gespendeten Whirlpool mit Ofen. Teile des Geländes sind von außen nicht einsehbar, niemand muss sich beim Tanzen oder Meditieren beobachtet fühlen. Doch das Verhältnis zu den Nachbarn ist sehr gut, viele waren bei dem Fest zu Gast.

Auch Ortsvorsteher Siegfried Stark feierte mit. „Ich freue mich, liebe Gerlinde, dass du das zu Lebzeiten alles erledigt hast“, sagt er zur Stifterin. „Das ist gut für Ötlingen, wir wollen das Miteinander leben wieder stärken. Andere Vereine in Ötlingen geben auf, da ist es schön, wenn auch Neues entsteht.“

Ein Langer Weg

Neues wächst auch schräg gegenüber in der Linkstraße 20. Dort wurde von der Stadt Kirchheim ein Grundstück gekauft. Demnächst folgt der Abriss des Gebäudes, es soll ein Neubau mit Wohnungen und zwei Multifunktionsräumen für Seminare und kulturelle Veranstaltungen entstehen. Die Stiftung will dort auch ein Bürgercafé einrichten.

Das erste Gebäude am Mühlbach wurde 1860 erbaut, eine Spinnerei betrieb ihre Maschinen mit Wasserkraft. Ab 1907 produzierte die Firma Elektro-Union der Familie Link dort elektrische Bauteile und bestückte Porzellansicherungen. Nun gehört das Anwesen der Stiftung. „Es war ein langer, langer Weg“, sagte Gerlinde Rakoczy. „Dafür brauchte es so viele Leute, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.“