Vor 70 Jahren hat in Wendlingen eine Gruppe junger Mädchen eine Pfadfinderschar gegründet, die zum Evangelischen Mädchen-Pfadfinderbund (EMP) gehörte. Die entscheidende Person, die die Gründung 1954 vorangetrieben hatte, war Elisabeth Leuze, die Tochter des damaligen Wendlinger Pfarrers Ernst Fischle. Und die Wendlinger Schar war so attraktiv für junge Mädchen, dass recht bald auch in umliegenden Ortschaften EMP-Gruppen entstanden – schon 1955 in Kirchheim.
Die EMP-Aktivität in Wendlingen hat bis 1969 angedauert. 1972 ging der EMP deutschlandweit im VCP auf, im Verband Christlicher Pfadfinder. Und trotzdem gibt es die EMP-Gruppe von damals irgendwie immer noch, auch nach 70 Jahren. Begonnen haben die „Revivals“ 2001 mit dem Gedanken, die alten Zeiten bei einem Treffen wieder aufleben zu lassen, berichtet Heidrun Schramm, die jetzt das große Jubiläumsfest gemeinsam mit ihrem Mann Klauspeter organisiert.
Seit 2001 gibt es also einmal im Jahr ein gemeinsames Treffen der Wendlingerinnen. Das erste große EMP-Fest war 2004 das Jubiläum zum 50. Gründungstag. „Da haben wir dann alle angeschrieben – auch die aus Kirchheim, Wolfschlugen und Denkendorf.“ In genau demselben Rahmen wurde vor zehn Jahren auch das 60-jährige Bestehen groß gefeiert.
Der Leitspruch „Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder“ gilt nach wie vor, weswegen sich die Mädchen von damals auch heute noch für die Idee der Pfadfinderschaft begeistern können und begeistern lassen. „Mit zunehmendem Alter freut man sich immer mehr auf die Begegnungen“, sagt Heidrun Schramm. „Da hat man ganz lange keinen Kontakt zueinander, aber dann, beim Treffen, ist es wie immer – als wäre man erst gestern beieinander gewesen.“ Jetzt, am Samstag, geht sie allerdings davon aus, dass es sich um das letzte Treffen „im großen Stil“ handeln dürfte: „Wir werden ja nicht jünger. Teilweise gehen wir jetzt schon auf die 90 zu.“
Die jährlichen Treffen im kleineren Rahmen sind nach wie vor geplant, solange es eben geht. Auch der Termin am 9. November ist ein Tribut, den die Frauen dem Alter zollen: Für diejenigen, die noch mehr als rüstig sind, ist der November ein geeigneter Monat, weil sie da gerade nicht im Urlaub sind. Und für viele andere ist der Samstag ein geeigneter Wochentag, weil sie an anderen Tagen Reha- oder Physio-Termine haben, erzählt Heidrun Schramm von ihren Erfahrungen mit der Terminplanung und -findung.
Das Programm dagegen steht fest, es war einfacher zu planen. Im Restaurant des Golfclubs Kirchheim-Wendlingen treffen sich die EMP-lerinnen zum Mittagessen. Nachdem es dort viel Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch gibt, geht es anschließend nach Bodelshofen in die Kirche.
Vor 20 Jahren war da noch einiges ganz anders: Da haben die Pfadfinderinnen noch eine Ausstellung auf die Beine gestellt und ein Zeltlager aufgebaut. Aber die Erinnerungen leben auch in Gesprächen und Erzählungen schnell wieder auf. Ganz wichtig ist das gemeinsame Singen – „die alten Lieder“. Heidrun Schramm betont allerdings: „Die richtigen Pfadfinderlieder singen wir nicht in der Kirche, sondern vor der Kirche.“
Waren die früheren Begegnungen – also zur „echten“ Pfadfinderzeit – zwischen Wendlingerinnen und Kirchheimerinnen eher sporadisch und auf ein oder zwei Mal im Jahr begrenzt, geht es nun umso herzlicher zu: „Einmal Pfadfinderin, immer Pfadfinderin“.
Der Inbegriff von Freiheit
Was war die große Faszination des Pfadfindertums vor 70 Jahren? Und warum hält die Verbundenheit bis heute an? Es muss damals der Inbegriff der großen Freiheit gewesen sein, das Versprechen des ganz großen Abenteuers. Wichtig war es sicher auch, sich selbst zu organisieren, ohne dass „von oben herab“ bestimmt wurde, was zu tun und zu lassen ist. Und es war für die Mädchen sicher auch ein wichtiger Schritt in Richtung Emanzipation. In dieser Hinsicht setzen sie bei ihrem Treffen am Samstag ein hörbares Zeichen, wenn sie am Ende singen: „Nehmt Abschied, Schwestern, ungewiss ist alle Wiederkehr.“