Der Kirchheimer Autositzhersteller Recaro hat am Montag Insolvenz angemeldet, ohne vorher die Belegschaft zu informieren. Am Dienstag hat das Management dann um 10 Uhr die Beschäftigten eingeladen, um über die aktuelle Situation zu informieren. „Es herrschte eine gedrückte Stimmung, teilweise war sie auch zornig. Die Geschäftsleitung wurde mit Buhrufen empfangen“, beschreibt Frank Bokowits, Betriebsratsvorsitzender von Recaro in Kirchheim, die Stimmung bei der Mitarbeiterinfo. Die Geschäftsführer Emil Kreycik und Ulrich Severin sprachen vor der Belegschaft und antworteten auf Fragen. „Wir sind aufgeklärt worden, auch wie es mit den Gehaltszahlungen weitergeht. Uns wurde aber nicht wirklich gesagt, was die Geschäftsleitung konkret vorhat. Bei uns in der Belegschaft ist das Vertrauen in die Firmenspitze dahin“, findet Frank Bokowits klare Worte. Rund 150 der 215 Beschäftigten des Unternehmens sind der Einladung zur Mitarbeiterinfo gefolgt. „Viele sind im Urlaub, einige krank“, sagt Frank Bokowits.
„Das Management hat die Veranstaltung eröffnet und sich für die Kommunikationskaskade entschuldig“, erklärt Alessandro Lieb. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Esslingen war ebenfalls in Kirchheim vor Ort. Die Geschäftsführung sei erstaunt gewesen, wie schnell sich die Information über den Insolvenzantrag verbreitet habe. „Das Management hat erklärt, dass die Firma gestärkt aus der Krise gehen wolle und appelliert, dass alle an einem Strang ziehen“, so Alessandro Lieb. Die wichtigste Botschaft für ihn: Die Insolvenzgeldfinanzierung ist im Laufen, so schnell wie möglich sollen die Gehälter beziehungsweise Löhne ausbezahlt werden. „Das Thema Vertrauen ist in den vergangenen Jahren in arge Mitleidenschaft gezogen worden, es ist fraglich, ob es dem Management noch entgegenbracht wird. Viel Porzellan ist in letzter Zeit zu Bruch gegangen“, ist die Beobachtung des IG Metall-Bevollmächtigten. Aus seiner Sicht wird es spannend, was die Sichtung der Unterlagen ergibt. „Jetzt kommt alles auf den Prüfstand.“ Aus seiner Sicht wurden seitens des Managements Fehlentscheidungen getroffen. Die Belegschaft habe immer Vorschläge zur Verbesserung gemacht, sich regelmäßig eingebracht. „Jetzt ist wichtig: Wie kommen alle wieder aus dem Tal raus – und das ist Aufgabe des Managements. Der Ball liegt bei der Geschäftsführung, wie künftig die Ausrichtung und Arbeitsabläufe aussehen, so dass es weiter gehen kann. Das Management muss beweisen, dass es mit der Ankündigung ernst meint“, erklärt Alessandro Lieb.
Offiziell wurde durch das Amtsgericht Esslingen vorläufig die Eigenverwaltung angeordnet. „Das Unternehmen führt das Insolvenzverfahren in solch einem Fall selber durch“, erklärt Ingo Schorlemmer, Pressesprecher der Kanzlei Schultze und Braun. Das heißt, die Geschäftsführung von Recaro führt mithilfe eigener Rechtsanwälte das Verfahren durch. „Mein Kollege Holger Blümle ist in dem Fall ein sogenannter Sachwalter. Das ist im Prinzip eine Art gerichtlich bestellter Aufsichtsrat, der darauf schaut, dass im Sinne der Gläubiger gehandelt wird“, erläutert Ingo Schorlemmer. Dabei handle es sich um eine vorläufige Phase, die Teil des Insolvenzverfahrens ist.
Von der Recaro-Geschäftsführung war auch gestern keine Stellungnahme zu erhalten.