Politik
Renata Alt hat die ganze Welt im Blick

Die Kirchheimer FDP-Bundestagsabgeordnete spricht so unverblümt über Korruption in der Ukraine wie über die aggressive chinesische Wirtschaftspolitik oder Nachbesserungen beim Bürgergeld.

Renata Alt (rechts) und ihre SPD-Kollegin Dagmar Andres aus Nordrhein-Westfalen suchen in Bukarest auch das Gespräch mit Joe Wilson, dem Leiter der US-Delegation. Foto: pr

Renata Alt nimmt für gewöhnlich kein Blatt vor den Mund und spricht Dinge an, die aus ihrer Sicht einfach angesprochen werden müssen. Trotzdem benimmt sie sich in der Welt der Diplomatie nicht wie der Elefant im Porzellanladen. Ein Beispiel: „Bei der Jahreskonferenz der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Bukarest bin ich auf das Thema Korruption in der Ukraine eingegangen. Das ist ein wichtiges Thema, denn bei einem EU-Beitrittskandidaten müssen wir dringend die entsprechenden Reformen anmahnen.“ Als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag erwähnt die Kirchheimer FDP-Abgeordnete deshalb auch die Unterdrückung der Opposition in der Ukraine. Dass sie keinesfalls falsch damit liegt, den Finger in solche Wunden zu legen, wurde ihr noch vor Ort in Bukarest bestätigt: „Eine US-Delegierte mit ukrainischen Wurzeln hat sich dafür sehr bei mir bedankt“, erzählt sie im Nachhinein beim jährlichen Sommer-Pressegespräch.
 

Große Abhängigkeit von China

Auch sonst setzt sie sich weltweit für Menschenrechte ein, ebenso wie für Frauenrechte: „In China gehe ich auf die Lage der Uiguren ein.“ Gerade China ist für sie ein Land, bei dem in der deutschen Politik und in der Wirtschaft ein Umdenken gefordert sei. Statt Zusammenarbeit auf Augenhöhe sieht sie nämlich eine zunehmende Abhängigkeit: „Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China müssen wir reduzieren. Viele deutsche Unternehmen haben sie stattdessen aber erhöht, weil sie aus der Abhängigkeit von Russland nichts gelernt haben.“

Es gelte, Bedingungen zu schaffen, unter denen wieder mehr in Deutschland produziert werden könne – und wenn nicht, dann wenigstens anderswo in Europa: „Wir können die Produktion nicht dauerhaft den Chinesen überlassen.“

Auf der ganzen Welt sei China aktiv, um Infrastruktur-Projekte an sich zu reißen. „In Costa Rica haben sie ein komplettes Stadion finanziert und es in kürzester Zeit gebaut, um an Aufträge für die Infrastruktur zu kommen.“ Ob Wirtschaft oder Menschenrechte, für Renata Alt steht fest: „Wir sind aufgefordert, ganz Mittelamerika stärker in den Blick zu nehmen.“

Mexiko etwa sei „unser wichtigster Wirtschaftspartner in Lateinamerika – noch vor Brasilien“. Das sagt sie kurz vor ihrer anstehenden Reise nach Mexiko, wo sie indessen nicht nur über die wirtschaftlichen Beziehungen sprechen will, sondern auch über die Menschenrechtslage und über die Problematik, dass dort Hunderttausende Menschen einfach „verschwinden“, darunter eine Vielzahl von Kindern: „Die tauchen nie wieder auf.“

Erfolge sieht die Kirchheimerin durchaus: „Ich konnte mich von der Entwicklung der Frauenrechte in Saudi-Arabien überzeugen. Das ist positiv – auch wenn die Lage der Menschenrechte dort noch lange nicht mit der in Deutschland zu vergleichen ist.“ In Saudi-Arabien herrsche derzeit eine Art Goldgräberstimmung: „Da geht es um Großprojekte von ungeheuren Ausmaßen. Gerade deshalb kann man aber auch immer wieder auf die Menschenrechte verweisen.“

Was die Rohstoffe betrifft, nimmt Renata Alt auch Kasachstan in den Blick: „Australien und die USA investieren dort in die Rohstoffförderung. Das sollten wir auch machen. Wir müssen uns breiter aufstellen, wenn es um unsere Rohstoffbeschaffung geht.“
 

Konkurrenzkampf um Fachkräfte

Eine ganz besondere Art von „Rohstoff“ führt sie zu einer innenpolitischen Debatte: „In spätestens sieben Jahren wird jeder merken, was Fachkräftemangel wirklich bedeutet. Ob Österreich, Finnland, Schweden oder auch Kanada und die USA – die locken alle mit enormen Steuererleichterungen. Wenn wir da mithalten wollen, müssen wir also nachziehen“, wirbt sie um Verständnis für entsprechende Überlegungen. „Es geht nicht darum, alle Ausländer von der Steuer zu befreien. Aber wir müssen denjenigen Menschen, die wir dringend benötigen, auch etwas anbieten können.“

Selbstverständlich gelte das auch für Einheimische: Auf der einen Seite fordert Renata Alt sehr viel mehr Bürokratieabbau. Auf der anderen Seite will sie auch für diejenigen Angebote machen, die über die Rentenaltersgrenze hinaus noch arbeiten wollen. Steuererleichterungen hält sie für ebenso wichtig wie Nachbesserungen beim Bürgergeld: „Wenn Menschen, die arbeiten könnten, trotzdem lieber Bürgergeld beziehen, dürfen wir das nicht tolerieren.“

Renata Alt kommt nicht nur viel rum, sie hat auch ein breites Themenspektrum. Und trotz ihrer verbindlichen Art spricht sie dabei am liebsten Klartext.