Kriminalitätsstatistik
Rund um die Teck gehen Delikte zurück

Die aktuelle Statistik der Polizeidirektion Reutlingen weist für Lindach- und Lautertal rückläufige Zahlen auf. In Kirchheim dagegen gab es 2024 mehr Straftaten als im Vorjahr.

Veranstaltungen machen Kirchheim zu einem Anziehungspunkt für viele Menschen. Das sorgt aber auch dafür, dass es in solchen Fällen vermehrt zu Taschendiebstahl kommen kann.   Archiv-Foto: Jörg Bächle

Kirchheim ist eine der „gefährlichsten“ Kommunen im Landkreis Esslingen. Noch höhere Zahlen der Kriminalitätsbelastung weist die aktuelle Statistik nur noch für Plochingen und für Leinfelden-Echterdingen aus. Das wäre die Einschätzung des Zahlenwerks – ohne Rücksicht auf Faktoren, die diese Zahlen relativieren könnten. Das augenfälligste Beispiel ist sicher Leinfelden-Echterdingen, denn die Große Kreisstadt auf den Fildern taucht – als einzige im Landkreis – gleich zwei Mal in der Rangliste mit den Häufigkeitszahlen auf: Ohne Flughafen und Messe lag die Häufigkeitszahl für 2024 bei 3314, mit Flughafen und Messe sind es 11.743. Zum Vergleich: Plochingen kommt auf 5703, Kirchheim auf 5380 und Nürtingen auf 5284.

Werte zwischen 4000 und 5000 weisen Wendlingen, Esslingen, Denkendorf und Reichenbach auf. Fünf weitere Kommunen im Kreis liegen zwischen 3000 und 4000, alle anderen darunter. Am „sichersten“ sind die Neidlinger: Sie sind die einzigen, deren Häufigkeitszahl dreistellig ist – mit 839.

Was heißt nun Häufigkeitszahl? Die Berechnung ist seit Corona und den entsprechenden Inzidenzzahlen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Es ist die Zahl der Straftaten in einem Jahr, hochgerechnet auf 100.000 Einwohner. In Neidlingen gab es 2024 folglich keine 839 Straftaten sondern ganze 15. Gegenüber 23 erfassten Straftaten im Jahr 2023 ist das ein beachtlicher Rückgang um 34,8 Prozent. Aber auch 23 Taten sind etwas weniger als zwei im Monat.

Generell sticht das Lindachtal aus der Statistik für den Kreis durch Rückgänge in solchen Dimensionen hervor: in Holzmaden waren es 33,3 und in Weilheim 32,3 Prozent weniger Taten als im Vorjahr. Kirchheim ist die einzige Kommune im Verbreitungsgebiet des Teckboten, in der es einen Anstieg gab: um 7,4 Prozent.

Wie gefährlich ist es aber wirklich in Kirchheim, verglichen mit den Umlandkommunen? Zur Einschätzung sind die jährlichen Berichte des Polizeireviers Kirchheim wichtig, in denen es regelmäßig heißt, dass Kirchheim bedingt durch das vielfältige Angebot ein Anziehungsmagnet in der Region ist: Zahlreiche Veranstaltungen, Märkte, Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie, aber auch Schulen, Arbeitsplätze, medizinische Versorgung sind Gründe dafür, dass viele Menschen nach Kirchheim kommen. Wenn sich dann Kriminelle auf Diebstahl spezialisieren, haben auch sie dadurch ein größeres „Angebot“ als irgendwo in ländlicheren Bereichen.

Leicht über dem Landesschnitt

Kirchheim weist also eine vergleichsweise hohe Häufigkeitszahl auf und liegt damit sogar um 200 über dem Landesdurchschnitt. Aber auch diese „200“ hört sich viel gewaltiger an als die Angabe „0,2 Prozent“. In Kirchheim ist es demnach so sicher wie irgendwo in Baden-Württemberg. Es würde auch niemand auf die Idee kommen, künftig den Flughafen zu meiden, nur weil dort die Kriminalität deutlich höher ist. Aber nirgendwo im Landkreis kann es beispielsweise täglich zu so vielen Verstößen gegen die Einfuhrbestimmungen kommen wie dort.

Auch die Aufklärungsquoten sind überwiegend erfreulich im Landkreis: Bei der Gewaltkriminalität waren es im vergangenen Jahr 85,9 Prozent, bei der Wirtschaftskriminalität sogar 90,9 Prozent. Letzteres ist eine gewaltige Steigerung gegenüber den 66,3 Prozent vom Vorjahr – ohne dass die nackten Zahlen einen Erklärungsansatz dafür bieten. Weniger gute Aufklärungsquoten gibt es erwartungsgemäß im Bereich „Computerkriminalität/Cybercrime“, auch wenn der Anstieg von 36,1 auf 46,6 Prozent beachtlich ist. Die Straßenkriminalität, zu der unter anderem der Diebstahl gehört, lässt sich noch schlechter aufklären. Aber auch hier ist die Quote gestiegen: von 18,2 auf 20,6 Prozent​.

Die Zahl der Tatverdächtigen im Landkreis Esslingen ist 2024 zurückgegangen – was auch für die nichtdeutschen Tatverdächtigen gilt, wenn Verstöße gegen das Ausländerrecht unberücksichtigt bleiben. Allerdings war der Rückgang in der Kategorie „nichtdeutsch“ etwas geringer als in der Kategorie „insgesamt“. Folglich ist der prozentuale Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen trotz dieses eigentlichen Rückgangs gestiegen – von 45,3 auf 46,3 Prozent.

 

Was die Statistik über Täter und Opfer sagt

Täter-Opfer-Beziehungen: Insgesamt hält es sich die Waage, ob sich Täter und Opfer kannten oder nicht. Im Landkreis Esslingen gab es bei 47 Prozent der Opfer im Vorfeld der Tat eine wie auch immer geartete Beziehung zu den Tätern. In 49,9 Prozent der aufgeklärten Fälle gab es keine Bekanntschaft, handelte es sich bei den Geschädigten also um Zufallsopfer. Je nach Altersstruktur sieht das aber ganz anders aus: Bei Kindern (bis 14 Jahre) kommen die Täter in 64,5 Prozent der Fälle aus dem persönlichen Umfeld. Auch bei Jugendlichen (14 bis 18 Jahre) liegt diese Zahl noch bei 54,8 Prozent. Bei den Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) sind die Zahlen fast gleich, wohingegen bei Erwachsenen von 21 bis 59 nur noch 44,6 Prozent der Opfer die Täter vorher kannten und bei den Erwachsenen ab 60 Jahren nur 40,9 Prozent.

Weibliche Opfer: In diesem Fall sieht die Verteilung ganz anders aus: 57,6 Prozent hatten einen Bezug zu den Tätern. In 34,9 Prozent der Fälle kam der Täter sogar direkt aus dem häuslichen Umfeld oder anderweitig aus der eigenen Familie. Beides sind deutlich höhere Zahlen als in irgendeiner der zuvor genannten Altersgruppen.

Alter der Täter: Unabhängig von der Zahl der Straftaten, die sich im Kreis Esslingen wieder dem Vor-Corona-Niveau annähert, bleibt der Anteil der Erwachsenen unter den Tatverdächtigen seit 2020 einigermaßen konstant bei um die 80 Prozent. Bei den absoluten Zahlen ist seit 2020 dagegen ein kontinuierlicher Anstieg der Kinder und Jugendlichen unter den Tatverdächtigen zu verzeichnen. Heranwachsende Tatverdächtige scheint es langfristig jedoch weniger zu geben: Deren Zahl geht zurück und liegt unter der der Jugendlichen.   vol