Nachruf
Sabine Widmer-Butz war immer am Puls der jeweiligen Zeit

Dr. Sabine Widmer-Butz hat sich als Historikerin bleibende Verdienste erworben – insbesondere um die Geschichte der Industrialisierung und des 19. Jahrhunderts in der Region rund um die Teck.

Sabine Widmer-Butz hatte 2006 im Freihof – dem Sitz des Wollmarkts im 19. Jahrhundert wie auch des Stadtarchivs – ihren Beitrag für die Kirchheimer Stadtgeschichte vorgestellt.   Archivfoto: Jean-Luc Jacques

Sabine Widmer-Butz ist mit 66 Jahren gestorben. Trotz schwerer Krankheit kam ihr Tod unerwartet schnell. Die gesamte Teck-Region hat dadurch eine renommierte Geschichtsforscherin verloren. Ihr historischer Schwerpunkt lag von Anfang an bei der Industrialisierung im 19. Jahrhundert – unter besonderer Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse. Als sie 28 Jahre alt war, ist ihre Dissertation erschienen, mit der sie an der Universität Tübingen bei Eberhard Naujoks promoviert hatte. Titel: „Kirchheim unter Teck zwischen Handel und Industrie (1806 – 1914)“.

Recherchiert hatte die Owenerin dabei unter anderem im Archiv des Teckboten und im Kirchheimer Stadtarchiv. Diese Zusammenarbeit war richtungsweisend für ihre weitere Tätigkeit als Historikerin, die sie über lange Jahre hinweg neben ihrer Arbeit als Lehrerin für Geschichte und Latein am Nürtinger Hölderlin-Gymnasium ausübte: Ihre Doktorarbeit ist bis heute erhältlich – als Band 5 der Schriftenreihe des Stadtarchivs, gedruckt vom Verlag des Teckboten. Auch weitere Bände der Schriftenreihe enthalten Texte von Dr. Sabine Widmer-Butz.

„Aus den Quellen erarbeitet“

Höhepunkt der Zusammenarbeit mit Stadtarchiv und Teckboten-Verlag war ihr Beitrag zur Kirchheimer Stadtgeschichte von 2006. Das Kapitel, das sie geschrieben hat, hieß folgerichtig „Aufbruch und Umbruch der Stadt im 19. Jahrhundert“. Trotzdem hat sie 20 Jahre später nicht einfach ihre Dissertation als „Steinbruch“ verwendet und sie somit leicht verändert noch einmal abgeschrieben. Ihr Ziel war es, für die Stadtgeschichte „das meiste aus den Quellen zu erarbeiten“, wie sie selbst es im Oktober 2006 formuliert hat. In akribischer Arbeit zurück zu den Quellen – das war für sie wissenschaftliches Credo und Selbstverständnis zugleich. In alle Themen hat sie sich intensiv eingearbeitet, ohne Effekthascherei. Dabei ist sie persönlich stets bescheiden geblieben und hat sich immer in den Dienst der Sache gestellt.

Der Geschichte der Stadt Kirchheim und des 19. Jahrhunderts ist sie meist treu geblieben. Da wären die Geschichte der Medizin und der Geburtshilfe: Gemeinsam mit Rosemarie Reichelt hatte sie in kongenialer Zusammenarbeit die Inhalte für die Dauerausstellung im Treppenhaus des Ärztezentrums an der Ecke Stuttgarter Straße / Steingaustraße in Kirchheim geliefert. Daraus ist ihr Beitrag „Einblicke in Leben und Wirken der Hebammen in Kirchheim unter Teck im 19. Jahrhundert“ entstanden, der im Schriftenreihen-Band 37 erschienen ist.

2016 hat sie – ebenfalls in Zusammenarbeit mit Rosemarie Reichelt – die „Häusergeschichten“ für die Internetseite der Stadt Kirchheim erforscht und aufbereitet. Auch in diesem Fall spielte das 19. Jahrhundert für die Quellenforschung eine wichtige Rolle.

Owen als Herzensangelegenheit

Auch in Owen hat sich Sabine Widmer-Butz als Historikerin betätigt, wieder gemeinsam mit Rosemarie Reichelt und wieder im Zusammenhang mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert: 2011 ist die Firmenchronik „150 Jahre Leuze – Textil, Maschinenbau, Electronic“ erschienen. Im Diens­te der Owener Geschichte hat sie gleichwohl auch ihren eigentlichen Fachbereich verlassen und alle möglichen Führungen für den „Alt Owen“-Förderkreis angeboten – in der Bernhardskapelle, aber auch im „Oberen Städtle“ und im „Unteren Städtle“ sowie in der Marienkirche. Um den Owener Stadtrundgang wirklich „rund“ zu machen, hat sie zwei zusätzliche Tafeln erarbeitet – als eine „Geschichtsschreibung für alle“, aus der Praxis als Stadtführerin.

Sabine Widmer-Butz hinterlässt also in vielfacher Hinsicht eine Lücke, die nicht zu füllen ist.