Immer wieder fiel das Wort „schicksalhaft“ – und gemeint war damit eine unglückliche Verkettung von Umständen. Allerdings haben diese Umstände zum Tod einer damals 77-jährigen Frau geführt. Die Frau wollte am 26. Juni 2024 um 16.12 Uhr die B 465 auf Höhe der Dettinger Teckstraße überqueren, um ihren Weg in Richtung Guckenrain fortzusetzen. Beim Betreten der Bundesstraße wurde sie jedoch vom Audi eines damals 21-Jährigen erfasst, der in Richtung Lenningen unterwegs war. Den Verletzungen, die sie sich durch die Kollision zugezogen hatte, erlag sie noch an der Unfallstelle.
Gelb bedeutet: Kreuzung räumen, Vorsicht!
Roberto Santoro; der Richter warnt vor möglichen Folgen eines „Gelblichtverstoßes“.
Jetzt musste sich der Fahrer vor dem Kirchheimer Amtsgericht verantworten. Die Anklage warf ihm außer der fahrlässigen Tötung auch noch fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs vor. Am Ende erhielt der Werkstudent eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung. Außerdem muss er seinen Führerschein zwei Monate lang abgeben – und eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 1500 Euro zahlen. Das Geld geht in 15 Monatsraten an die Verkehrswacht in Dettingen.
Was zeigten die Ampeln?
Die entscheidende Frage war die, welche Farbe die Ampeln jeweils anzeigten. Eine Zeugin, die im Auto denselben Weg zurücklegen wollte wie die 77-jährige Frau, bestätigte, dass das spätere Unfallopfer zu Fuß an der Fußgängerampel wartete, um mit ihrem Fahrrad die B 465 zu überqueren. Sie habe die Bundesstraße auch erst zu dem Zeitpunkt betreten, als die Fußgängerampel grünes Licht für sie angezeigt hatte.
Zur Frage, welche Farbe die Ampel dem Unfallverursacher angezeigt hat, gab es keine verlässlichen Zeugenaussagen. Aus einem Gutachten, das Richter Roberto Santoro verlas, geht allerdings hervor, dass die Ampel für den 21-Jährigen „mindestens gelb“ gewesen sein muss. Hätte er das Gelb entsprechend wahrgenommen und abgebremst, wäre er rechtzeitig an der Haltelinie zum Stehen gekommen und hätte den Unfall somit vermeiden können. Es war – wie so oft – eine Sache von wenigen Sekunden.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Autofahrers sei eher gering gewesen, weil der abendliche Berufsverkehr ohnehin nicht an die erlaubten 70 Kilometer pro Stunde hätte denken lassen. Ob der 21-Jährige aber wegen des Gelblichts zwischendurch beschleunigt hat, lässt sich nicht sagen. Im Gutachten heißt es dazu, diese Annahme sei zwar „naheliegend, aber nicht belegbar“.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sprach von einer „erhöhten Sorgfaltspflicht“, die bestehe, wenn jemand bei Gelb noch weiterfahre. Gegen diese Pflicht habe der Beschuldigte verstoßen und sich somit der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Dafür sei eine Freiheitsstrafe von einem Jahr angemessen, die sich bei einer Bewährungsfrist von drei Jahren aussetzen lasse. Hinzu komme eine Geldstrafe von 1500 Euro. Auch die Fahrerlaubnis sei zu entziehen.
Für den Verteidiger wiederum stand nicht zweifelsfrei fest, welche Farbe die Ampel für seinen Mandanten angezeigt hatte. Er wollte eine „Fehlschaltung“ der Anlage nicht ausschließen, was zur Folge hätte haben können, dass beide Unfallbeteiligte zur selben Zeit bei Grün unterwegs gewesen wären. Er plädierte deshalb auf Freispruch – „eine Geldstrafe reicht völlig aus“. Auch einer besonderen Führerscheinsperre bedürfe es nicht: „Wenn überhaupt, dann ein Fahrverbot.“
„Sträfliche Sorglosigkeit“
Der Richter sah dagegen „keine Anzeichen für eine Fehlschaltung der Ampel“. Allerdings sah er auch keine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs, weil beim Angeklagten keine Anhaltspunkte für rücksichtsloses Handeln gegeben seien. Dennoch konstatierte er „eine sträfliche Sorglosigkeit“. Der heute 22-jährige Audi-Fahrer habe die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. „Gelb bedeutet: Kreuzung räumen, Vorsicht!“ Genau diese Vorsicht habe der Beschuldigte nicht walten lassen.
„Keine Strafe der Welt wird die getötete Frau wieder lebendig machen“, betonte Roberto Santoro. Trotzdem verfolge die Strafe von neun Monaten auf Bewährung, die er verhängte, unterschiedliche Zwecke: Für den Angeklagten bedeute sie zumindest einen juristischen Schlusspunkt – auch wenn er nach wie vor an den Folgen des Unfalls leide und sich in psychologische Behandlung gegeben habe.
Im öffentlichen Interesse sei die Strafe aber auch „eine Warnung für viele andere, nicht sorglos am Straßenverkehr teilzunehmen“. Auch das Fahrverbot von zwei Monaten habe eine vergleichbare Funktion – für den Beschuldigten sei es eine Art von Denkzettel, und für alle anderen, die von dem Urteil erfahren, könne es durchaus eine Mahnung zur Vorsicht sein.
Von der Strafzahlung verspricht sich der Richter noch einen zusätzlichen Effekt – weil die Verkehrswacht in unmittelbarer Nähe zum Unfallort Fußgänger und Radfahrer schule, vor allem auch Kinder. „Die Verkehrswacht kann dann auch dafür sensibilisieren, dass man zu Fuß und mit dem Rad trotzdem vorsichtig sein muss, selbst wenn die Fußgängerampel grün ist.“

