Spätestens seit er 2003 bei dem Internationalen Zirkusfestival von Monte Carlo den Silbernen Löwen gewann, gehört der englische Dompteur Alexander Lacey (43) zu den Größten seiner Zunft. Nach dem Fotoshooting mit dem 450 Kilogramm schweren Masai äußert er sich zu seiner Leidenschaft, Tieren und der Kritik an seiner Zunft.
Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal mit Löwen in Kontakt kamen?
Alexander Lacey: Da war ich vier Jahr alt, ich habe große Katzen von Anfang an geliebt. Meine Eltern hatten einen Zoo in England. Ende der 70er-Jahre fingen sie dann an, mit ihnen zu trainieren, und ließen sie in Werbefilmen auftreten, zum Beispiel für Esso. Der Ururgroßvater von Masai war einer von insgesamt sieben Löwen im Vorspann der MGM-Studios.
Und in welchem Alter standen Sie das erste Mal in der Manege?
Lacey: Das war nach dem Internat, da war ich 17 und gehörte zu den Jüngsten. Eigentlich wollte ich Architektur studieren, war dafür aber nicht gut genug. Also ging ich wieder in die Manege.
Wie bringen Sie die Tiere dazu, das zu machen, was Sie wollen?
Wenn Sie selbst Haustiere haben und mit ihnen leben, beobachten Sie die Tiere und wissen, wie sie reagieren. Man entwickelt eine Beziehung und kennt ihre Eigenschaften. Sie müssen herausfinden, was ihnen gefällt und was sie können. Ein 450 Kilogramm schwerer Löwe kann nicht zehn Meter weit springen, eine junge Tigerdame schon.
Kann man die Raubtierdressur immer wieder neu erfinden?
Eine Menge Sachen sind sicherlich schon gemacht worden, aber ich habe immer wieder Neues erfunden und dafür Preise bekommen. Zum Beispiel habe ich mehrere Tiere in eine Reihe gestellt, die dann nacheinander wie schlafend zur Seite gefallen sind. Das ist sehr schwer zu trainieren.
Stammen alle Tiere aus dem Zirkus?
Wir ziehen sie hier groß, ihre Eltern und ihre Großeltern waren auch im Zirkus. Viele Leute glauben, wir holen die aus der Wildnis in Afrika. Das ginge gar nicht, die würden hier verrückt. Schauen Sie die Tiere an, wie entspannt sie sind, obwohl gerade Musik aus den Lautsprechern kommt.
Es gibt Berichte, dass Sie 2018 bei einem Auftritt in Stendal von einer Löwin angegriffen und verletzt wurden . . .
Ja, die Berichte sind übertrieben worden. Glauben Sie nicht, dass es Videos davon im Netz geben würde, wenn es wirklich so schlimm gewesen wäre? Heute geht jeder mit Handy in die Vorstellung. Ich bringe die Tiere manchmal dazu, aggressiv zu sein und mit der Pranke zu hauen. Das wollen die Leute sehen. Damals war ich nicht schnell genug und wurde erwischt. Ich habe geblutet, aber es war nicht schlimm. Sonst hätte ich kaum die Nummer noch zwölf Minuten zu Ende spielen können. Die Tiere haben Krallen und Zähne, daher kann es schon Mal Verletzungen geben.
Was tun Sie zu Ihrer Sicherheit?
Ich beobachte meine Tiere und schone sie auch mal, wenn sie schlecht drauf sind und keine Lust haben oder zum Beispiel eine Löwin läufig ist. Ich passe auf mich auf.
Verstehen Sie die Kritik am Zirkus mit Wildtieren?
Für mich ist sie nicht wichtig. Wer davon überzeugt ist, kommt hier gar nicht hin, weil er seine Meinung hat. Wir wollen diejenigen gut unterhalten, die Tiere sehen wollen. Wir sind offen, jedermann kann sehen, wie es den Tieren geht, es gibt keine abgedeckten Käfige. Viele Leute sind überrascht, wie das Verhältnis zwischen den Tieren und mir ist. Das will ich zeigen, ich will nicht zeigen, wie tapfer ich bin. Das gab es in den frühen Zeiten: Da haben alle gestaunt, dass der Dompteur in den Käfig ging und überlebt hat.
Tierschützer meinen, dass Raubkatzen in die freie Wildbahn gehören.
Die Wildnis ist doch nicht mehr perfekt. Menschen haben sie zerstört, die Tiere brauchen unsere Hilfe, um zu überleben. Wir können 50 weitere Jahre das Überleben unserer Tiere sichern, das ist ein riesiger Beitrag zum Artenerhalt. Ich war oft in Afrika, die Tiere sehen nicht immer gut aus in der Wildnis. Das ist nicht so romantisch, wie man sich das vorstellt. Wilderei hat die Bestände dezimiert, die Rudel sind isoliert, tauschen sich nicht mehr aus. Es herrscht viel Inzucht.
Siehe auch: Tierschützer fordern Zirkusverbot
Wie viele Wildkatzen leben hier im Zirkus?
Wir haben sechs Löwen und sieben Tiger, das ist die neunte Generation. Das Außengehege hat 250 Quadratmeter, in den Käfigen haben sie 70 Quadratmeter zum Schlafen.
Ist das unstete Leben nicht stressig für sie mit ständigen Ortswechseln und dem Betrieb?
Sie werden beschäftigt und sind alles andere als gestresst, weder auf der Reise noch in der Show. Wir haben den Cortison-Wert im Blut gemessen. Die Niveaus sind zu jedem Zeitpunkt normal. Sie brauchen sich die Tiere nur anzuschauen. Wenn es ihnen schlecht ginge, würde man das am Fell erkennen. Die Tiere werden bei uns 20 bis 25 Jahre alt, und wir beschäftigen sie bis zum Ende ihres Lebens, weil sie das gewohnt sind. Würde man sie isolieren, wären sie deprimiert. Es kommt vor, dass sie nach der Show ins Gehege kommen und dann ihre Augen für immer schließen.
Sie haben zwei Kinder. Würden Sie ihnen raten, Tierdompteur zu werden?
Nein. Weil sie sehr hart arbeiten müssen, sehr viel Zeit und Liebe aufwenden müssen, um mit den Tieren zu arbeiten. Es ist wie eine zweite Familie. Und meine erste Familie ist sicherlich oft zu kurz gekommen.