Installation
„Unfassbar“: Kunst und Kirche kreativ

Thomas Putze hat aus Holz und Metall der alten Kirchenbänke neue Werke geschaffen, die er ab Sonntag in der Kirchheimer Martinskirche ausstellt.

Pfarrer Jochen Maier und Thomas Putze (rechts) beim Vorgespräch zum Kunstprojekt in der Kirchheimer Martinskirche. Der Holzbildhauer und Performancekünstler spielt beim „Konzert“ am 14. April auch Trompete.      Foto: Andreas Volz

Mit „unfassbar“ ist die Installation überschrieben, die ab Sonntag, 6. April, in der Kirchheimer Martinskirche zu sehen ist. Der Titel ist vielschichtig und mehrdeutig. Er bezieht sich nicht nur auf die Bildende Kunst, die oftmals schwer zu fassen und zu greifen ist. Er bezieht sich auch auf Raum und Zeit dieser Installation: in der Kirche, in der Passions- und in der nachfolgenden Osterzeit. Im Vorfeld hat sich der Holzbildhauer und Performancekünstler Thomas Putze intensiv mit Pfarrer Jochen Maier unterhalten, sodass die Übergänge zwischen Kunstprojekt und Theologie fließend sind.

Das Material, mit dem Thomas Putze in diesem Fall arbeitet, hat einen direkten Bezug zur Kirchheimer Martinskirche. Ursprünglich war es darum gegangen, einen Teil der entfernten Kirchenbänke als Material zu nutzen. Der Künstler geht aber erst einmal ohne exaktes Planen ans Werk. Er lässt sich „überraschen“. Und so geriet das Holz der ausrangierten Bänke zu seiner eigenen Überraschung erst einmal zur Nebensache.

Was ihn zunächst faszinierte, war das Metall: die Plättchen, auf denen die Nummern der Bankreihen gestanden hatten, haben ihn ebenso in Beschlag genommen wie die Haken, die zum Aufhängen von Hüten oder Handtaschen gedient hatten. Mit feinem Goldfaden hat er die Nummernplättchen miteinander verbunden und daraus eine Kette hergestellt. Weitere Nummerntäfelchen hat er zu einer Art „Kettenhemd“ verarbeitet, mithilfe desselben feinen Drahts. Aus den Haken wiederum ist ein „Goldhelm“ entstanden.

Diese metallenen Installationen hat Thomas Putze im Vorfeld der Vernissage bereits vorgestellt. Was er dagegen aus dem Holz geschaffen hat oder auch noch zu schaffen gedenkt, lässt er noch offen: „Das entsteht oft auch erst beim Aufbau im Raum.“ Er denkt daran, eine Holzskulptur im Chorraum aufzuhängen. „Das Kirchenschiff erschien mir weniger geeignet, weil die Kirche ja trotz allem auch noch Kirche bleiben soll.“

Aus Zersplitterung entsteht Neues

Bleibt die frisch renovierte Kirche als solche demnach zu erkennen, dürfte beim Holz kaum mehr zu erahnen sein, dass es einst den Gottesdienstbesuchern als Sitzgelegenheit gedient hat. Thomas Putze ist dem Holz „mit schwerem Gerät“ zuleibegerückt und hat es „zersplittert“. Es geht ihm darum, das Alte erst einmal zu zerstören, um daraus im Anschluss etwas komplett Neues zu schaffen.

Das ist Kreativität – nicht nur um künstlerischen Sinn, sondern auch im theologischen, wie Jochen Maier ergänzt: „Im Passionsgeschehen geht es zunächst um die totale Vernichtung, um Zerstörung, die jede Hoffnung nimmt.“ Danach komme allerdings die Osternacht, und mit ihr die Auferstehung: „Aus dem Zersplitterten, aus der Hoffnungslosigkeit entsteht etwas Neues. Das ist etwas, was sich nicht greifen lässt, etwas, das wirklich unfassbar ist.“

Ostern sei theologisch als eine Neuschöpfung zu betrachten: „Das ist kein natürlicher Vorgang, wenn nach der scheinbaren Endgültigkeit doch wieder etwas Neues kommt.“ So heiße es bei Paulus im ersten Korintherbrief, dass das neue Leben eine komplett andere Gestalt habe, und trotzdem bleibe die Kontinuität gewahrt: „Sterben ist wie der Wechsel eines Kleides.“

Thomas Putze denkt an das biblische Bild vom Tempel, der eingerissen und in drei Tagen wieder neu aufgebaut wird: „Da werden dann die Steine sortiert. Was brauchbar ist, wird für den Neubau wiederverwendet. Das ist so ähnlich wie bei der Dresdner Frauenkirche.“ Ihm geht es aber darum, dass der gesamte Prozess nachvollziehbar wird. „Die Schöpfung lässt sich nacherleben.“

Das ist der Grund, warum Thomas Putze bereits auf Samstag, 5. April, 11 Uhr, zum „öffentlichen Arbeiten am Kirchenvorplatz“ einlädt: „Da arbeite ich mit Bankteilen“, sagt er und meint damit, dass es mit der Zerstörung beginnt, bevor auch am Samstag Neues entstehen kann. Wichtig ist ihm dabei aber auch der Dialog mit dem Publikum, das sich einfindet – gezielt oder auch zufällig. „Kommunikation ist alles. Das gilt auch für die Ausstellung, und genauso für die musikalische Performance mit Gedanken zur Passion“. 

Dieses besondere „Konzert“ beginnt am Montag, 14. April, um 19 Uhr in der Martinskirche. Für Thomas Putze gehört der Dialog zur Kunst wie auch zur Kirche: „In der Kirche war alles immer schon interaktiv. Zur Botschaft braucht es immer auch die Antwort.“ Deshalb sei die Kirche ein idealer Ausstellungsort für seine Installation. In einem Museum gebe es viel weniger Kommunikation.

Passend dazu ist die Vernissage am Sonntag, 6. April, in den Gottesdienst eingebunden, der um 10.30 Uhr beginnt. Die Kommunikation über die Kunst ist bereits Teil der liturgischen Handlung – und sie lässt sich im Anschluss nahtlos fortsetzen. Gut möglich, dass zumindest die Kunst dadurch etwas „fassbarer“ wird.