Der Fachkräftemangel in den Kirchheimer Kitas spitzt sich zu. Im Kindergarten Nabern haben drei Erzieherinnen gekündigt, die dort teilweise seit Jahrzehnten beschäftigt waren. Im Konrad-Widerholt-Kindergarten verabschieden sich zwei Fachkräfte, zwei wechseln in eine andere städtische Kita.
Auch in den anderen Einrichtungen sind viele Stellen unbesetzt. Insgesamt fehlten laut Stadt Kirchheim zum 1. Oktober Erzieherinnen mit einem Stellenumfang von 570 Prozent. Dabei sind die neuen Kündigungen noch gar nicht berücksichtigt. Die Zahl spiegelt die Dramatik der Situation auch deshalb nicht wieder, weil weitere 20 Stellen aufgrund von Krankheit, Elternzeit oder Schwangerschaft nicht besetzt sind.
Die Kündigungen kommen also zur Unzeit für die Stadt, die schon jetzt ein dickes Problem hat. In Kirchheim haben Kinder in dreistelliger Zahl keinen Kita-Platz, weil es für sie weder Räume noch Personal gibt. Aktuell sind es 289. Man kann der Stadt nicht unterstellen, dass sie nichts tut, um diese Lücke zu schließen. Aktuell sind beispielsweise zwei große Kitas im Bau, in der Tannenbergstraße und auf dem Schafhof. Aber was nützen Gebäude, wenn kein Personal da ist?
Es muss doch nicht immer alles über den Schreibtisch der Sachgebietsleitung gehen.
Elisa Fröhlich, Gesamtelternbeirat Kitas
Mit ihrem Fachkräfteproblem ist die Stadt Kirchheim nicht allein. Viele Kommunen sind händeringend auf der Suche nach Personal, um die Lücken zu füllen, die entstehen, weil Erzieherinnen aus der Boomer-Generation in Rente gehen. Das erklärt zwar in Teilen das Problem, macht es jedoch nicht besser. Im Gegenteil. Denn bei der Rekrutierung von pädagogischem Fachpersonal steht die Stadt Kirchheim in Konkurrenz zu anderen Städten und Gemeinden. Und zieht ganz oft den Kürzeren.
Um herauszufinden, warum in Kirchheimer Kitas so viele Fachkräfte fehlen, haben wir mit Menschen gesprochen, die sich als Erzieherinnen bei der Stadt Kirchheim beworben haben – ohne Erfolg. Außerdem mit drei Frauen, die jetzt Jobs in einer andere Kommune haben und berichten können, wie das Bewerbungsverfahren dort abgelaufen ist. Die Namen werden im Artikel nicht genannt, um die Erzieherinnen zu schützen.
Die Geschichten, die die Frauen erzählen, sind sehr individuell, aber ab einem bestimmten Punkt klingen sie alle gleich. Zusammengefasst kann man sagen: Zwischen dem Absenden der Bewerbung an die Stadt Kirchheim und der Einladung zum Gespräch vergehen teilweise Wochen. Manchmal sind es drei oder vier, manchmal aber auch deutlich mehr. Das ist zu viel Zeit für Frauen, die sich ihren Job aussuchen können.
Andere Städte sind schneller
Eine Erzieherin, die unbedingt bei einer bestimmten Kirchheimer Einrichtung anfangen wollte, berichtet, dass sie mehrfach bei der Stadtverwaltung angerufen hat, um sich nach dem Stand ihrer Bewerbung zu erkundigen. Ihren alten Job hatte sie bereits gekündigt und stand entsprechend unter Druck. Ein anderer Arbeitgeber, bei dem sie sich parallel beworben hatte, lud sie binnen Tagen zum Gespräch ein und machte ihr noch am selben Tag ein Angebot. „An diesem Tag hat die Stadt Kirchheim mich per Mail zum Bewerbungsgespräch eingeladen“, erzählt die Erzieherin. Zu spät. Sie sagte der Stadt ab und dem neuen Arbeitgeber zu.
Erzieherinnen, die sich in einer anderen Stadt nahe der Teck beworben haben, berichten ebenfalls, dass sie innerhalb weniger Tage zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurden. Unterlagen mussten sie nur wenige einreichen. „Die wollten nur einen Lebenslauf, nicht einmal Zeugnisse“, berichtet eine der Frauen. Man muss vielleicht hinzufügen, dass es sich bei ihnen um Erzieherinnen mit langer Berufserfahrung handelt.
Die Stadt Kirchheim weist den Vorwurf, bei der Einstellung pädagogischer Fachkräfte zu langsam zu sein, zurück. „Wir legen großen Wert auf eine zügige Bearbeitung der Bewerbungen im pädagogischen Bereich“, schreibt die Sprecherin der Stadt Doreen Edel. Pro Monat fänden in der Regel drei bis vier Vorstellungsrunden für pädagogische Fachkräfte statt. Die Bewerbenden würden grundsätzlich eineinhalb bis zwei Wochen vor dem Gespräch eingeladen. „Gelegentlich kann es aufgrund interner Abläufe oder paralleler Vorstellungsrunden in anderen Bereichen zu verlängerten Wartezeiten kommen. Die Besetzung von pädagogischen Stellen wird jedoch aufgrund des Fachkräftemangels priorisiert behandelt“, so Doreen Edel. Die Stadt Kirchheim tue alles dafür, offene Stellen schnellstmöglich zu besetzen.
Kommentar: Bitte mehr Ehrlichkeit
In Krisenzeiten ist der Grat zwischen Beschwichtigung und Ehrlichkeit besonders schmal. Soll heißen: Natürlich kann die Stadt Kirchheim beim Thema Kita kein Untergangsszenario an die Wand malen. Schließlich sollen die Kitas ein attraktiver Arbeitsort für potenzielle Erzieherinnen bleiben. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit wäre in der aktuellen Situation, die sich für viele Eltern und Erzieherinnen sehr nach Krise anfühlt, aber schon angebracht. Denn dass die Stadt Kirchheim bei der Rekrutierung von pädagogischem Fachpersonal schnell genug arbeitet, glaubt momentan nur noch die Stadt selbst. Ehrlich wäre es, folgendes zu sagen: „Wir wissen, dass wir bei der Einstellung von Erzieherinnen zu langsam sind. Das hat folgende drei Gründe. Und hier sind unsere Ideen, wie wir schneller werden wollen.“ Wenn das nicht passiert, wird sich eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die nicht mehr aufzuhalten ist. Antje Dörr
Das fordern die Eltern
Sichtbarkeit Dass die Bewerbungsverfahren für pädagogisches Personal zu lange dauern, bemängelt auch der Gesamtelternbeirat der Kirchheimer Kitas (GEB) seit Längerem. Sie höre immer wieder von Erzieherinnen, die wochenlang keine Rückmeldung bekämen, sagt Melanie Sindlinger vom GEB. „Uns sind schon viele davongelaufen“. Elisa Fröhlich, GEB-Vorsitzende, sagt, man habe widerholt angeregt, die offenen Stellen gut sichtbar auf der Homepage zu veröffentlichen.
Flexibilität Fröhlich fordert, dass Prozesse bei der Stadtverwaltung geändert werden, damit Bewerbungsprozesse schneller über die Bühne gehen, und beklagt „knöcherne Strukturen“. „Es muss doch nicht immer alles über den Schreibtisch der Sachgebietsleitung gehen“, sagt sie. Leitungen müssten ermächtigt werden, unbürokratisch Bewerberinnen einzuladen. Fröhlich will es im Namen aller Kirchheimer Eltern nicht mehr akzeptieren, immer nur vertröstet zu werden. „Das geht zulasten der Kinder, der Eltern, der Wirtschaft. Wie kann man das verantworten, zu sagen: ‘Diese Strukturen weichen wir nicht auf’?“, ärgert sie sich. Sie sieht den Oberbürgermeister in der Pflicht, „von oben mehr draufzuschauen“. Was Elisa Fröhlich positiv bewertet: „Offenbar gab es nach manchen Kündigungen einen Fragebogen, den Erzieherinnen erhalten, um rückzumelden, welche Kritikpunkte es gibt“. adö