Ausstellung
Wo Nutzfahrzeuge und Fotokunst sich kreuzen

In „Messfahrzeuge kreuzen“ erkunden Stefan Voigt und Claudia Zeller-Sauter die Spuren des Wandels zwischen Technik und Natur.

Claudia Zeller Sauter und Stefan Voigt: Ihre Exponate stellen den Wandel aus. Foto: Florian Stegmaier

Ein Schild warnt: „Vorsicht – Messfahrzeuge kreuzen!“ Doch hier heult kein Motor mehr auf, keine Reifen quietschen. Stattdessen spricht die Landschaft. Und hört man genau hin, mischen sich künstlerische Stimmen in die Rede – in Form einer bemerkenswerten Ausstellung im Kirchheimer artspace wieweg, in der die Kirchheimer Kunstschaffenden Stefan Voigt und Claudia Zeller-Sauter einen stillen, aber tiefgründigen Dialog führen.

Unter dem doppeldeutigen Titel „Messfahrzeuge kreuzen“ begegnen sich Fotografie und chemisch-grafisches Experiment – zwei künstlerische Positionen, die in der Gegenüberstellung kraftvolle Resonanz entfalten. So wird die Galerie selbst zum Kreuzungspunkt: von Technik und Natur, Erinnerung und Wandel, von Spurensuche und künstlerischer Spurensetzung.

„Die Wunde heilt von den Rändern her.

Claudia Zeller-Sauter über die antiseptische Wirkung ihres Arbeitsmaterials.

Stefan Voigt, der als Streetart-Fotograf seine Motive im urbanen Raum findet, streift als Flaneur durchs Naturschutzgebiet der Wernauer Baggerseen. Wo einst Geländewagen über die Teststrecke rasten, hat die Natur sich ihr Terrain zurückerobert – aber nicht vollständig. Sensibel verzeichnet Voigt die Überbleibsel technischer Nutzung: verlassene Schuppen, verrostete Rampen, verblichene Verkehrsschilder. Ihre Funktion ist getilgt, ihr Symbolwert bleibt: sie markieren jene Nahtstellen, an denen Natur und Industrie aufeinanderprallen. Voigts Bilder sind keine klassischen Landschaftsaufnahmen. Es sind Topografien der Erinnerung, in denen sich Vergangenes als Chiffre einschreibt. Mitunter zeigen sich die alten Betonbahnen nur noch als sanfte Schneisen im dichten Grün – Spuren, die verblassen, aber nicht verschwinden. Eine Ästhetik des Vergehens, die das Schutzgebiet als Raum des Übergangs vor Augen stellt.

Mit Jodlösung Spuren gezogen

Während Voigt fotografisch festhält, lässt Claudia Zeller-Sauter das Bild arbeiten. Ihre Exponate stellen den Wandel aus. Mit Jodlösung hat die Künstlerin Spuren auf lichtempfindlichem Papier gezogen. Zeller-Sauters Experiment lässt der chemischen Reaktion Raum zur Entfaltung. Sie greift kaum steuernd ein, überlässt dem Material die Führung. So entstehen Langzeitbelichtungen, die stetig dunkler werden. Eine künstlerische Metamorphose in Echtzeit, die Vergänglichkeit nicht als Verlust, sondern als Prozess versteht.

Ein Prozess, der mitunter produktiv sein kann: „Die Wunde heilt von den Rändern her“, sagt Zeller-Sauter mit Seitenblick aufs Jod und dessen antiseptische Wirkung. Denn ihre kartografisch wirkenden Bilder changieren nicht nur reizvoll zwischen Zeichnung und Malerei, sie spielen auch mit der Anmutung von Verletzung und Wiederherstellung: Wunden, die zu Narben werden und noch im Verschwinden sichtbar bleiben.

„Messfahrzeuge kreuzen“ – das war einst eine Warnung. Im artspace wieweg ist es eine Einladung zum vielschichtigen Dialog über Zeit, Transformation und das Weiterleben von Spuren in der Landschaft.

 

Info Die Ausstellung ist bis einschließlich Sonntag, 27. Juli, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr im artspace wieweg (Wieselweg 7) in Kirchheim zu sehen.