Inklusion
Wo Vielfalt ganz normal klingt

Inklusion Im Workshop „Kinderhits mit Witz“ erleben Kinder mit und ohne Behinderung eine musikalische Reise um die Welt. Was zählt, ist nicht Leistung, sondern Teilhabe, Miteinander und Spaß am Singen.

Gemeinsam singen, spielen und gestalten Kinder mit und ohne Behinderung ein buntes musikalisches Programm.      Foto: Florian Stegmaier

Bunt, lebendig und voller Lieder: In den Osterferien hallen fröhliche Kinderstimmen durch den Musiksaal der Kirchheimer Freihof-Realschule. Der inklusive Ferienworkshop „Kinderhits mit Witz“, getragen von einer Kooperation zwischen der Lebenshilfe Kirchheim und der Musikschule, bringt 19 Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren zusammen – etwa die Hälfte von ihnen mit Behinderungen.

Das Konzept ist ebenso einfach wie besonders: Gemeinsam singen, spielen und gestalten die Kinder ein musikalisches Programm, das sich nicht an starren Vorgaben, sondern am kreativen Prozess orientiert. „Das genaue Programm steht nicht von Anfang an fest“, erklärt Heilpädagogin Jessica Schwabe, die den Workshop gemeinsam mit der Musikpädagogin Ulrike Tsalos leitet. „Es entsteht aus dem Miteinander – aus den Begegnungen, den Ideen und Erlebnissen der Kinder.“

Herzstück ist das Miteinander

Im Mittelpunkt steht eine 20-minütige Abschlusspräsentation. Die Lieder nehmen die Kinder mit auf eine musikalische Weltreise, greifen aber auch Ostern und den Osterhasen auf – beides frisch in Erinnerung nach dem Fest. Doch viel wichtiger als das Endprodukt ist der Weg dorthin: „Viele Kinder kannten sich vorher nicht. Trotzdem entsteht schnell ein freundliches, unterstützendes Miteinander. Dass einige im Rollstuhl sitzen oder besondere Hilfen benötigen, ist kein Thema – es ist einfach normal“, berichtet Schwabe. Diese Selbstverständlichkeit ist das Herzstück des Projekts.

Sabine Grandl, Mitarbeiterin im Team der Offenen Hilfen bei der Lebenshilfe Kirchheim, betont: „Der Landkreis Esslingen sieht Inklusion seit Jahren als Schwerpunkt und hat 2023 mit der Rahmenkonzeption für inklusive Ferienangebote ein starkes Signal gesetzt.“

Als Kostenträger kommt dem Landkreis zudem eine zentrale Rolle zu: „Ohne den intensiven Einsatz von Assistenten wäre ein Workshop wie dieser gar nicht möglich“, so Grandl. 

Auch Chorleiterin Ulrike Tsalos erlebt, wie durch Musik Brücken entstehen: „Wir sind hier eine homogene Gruppe, obwohl die Kinder ganz unterschiedlich sind. In den Pausen wird gemalt, gespielt, gelacht. Der gruppendynamische Prozess beschert viele emotionale Erfahrungen – und das ganz von selbst.“

Die gemeinsame Zeit ist geprägt von Neugier, gegenseitigem Respekt und echtem Miteinander. „Das Prinzip ‚schneller, höher, weiter‘ treibt unsere Gesellschaft viel zu sehr an“, meint Grandl. „Unsere Kinder zeigen, dass es auch anders geht – im Hier und Jetzt, auf Augenhöhe, jeder in seinem Tempo.“

Daniela Rathay, Leiterin der Musikschule Kirchheim, sieht in der Verbindung von Musik und Inklusion eine große gesellschaftliche Chance: „Musik kann helfen, das individuelle Können und die Persönlichkeit eines Menschen zum Ausdruck zu bringen.“ Das beeinflusst auch das soziale Klima: „Es ist traurig, dass wir in unserer Gesellschaft wieder über Fremdenhass diskutieren“, sagt Rathay. „Unser Inklusionsprojekt hingegen wirbt für Toleranz und Respekt. Es ist vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein – aber immerhin ein Tropfen.“ Ein Tropfen, der auf fruchtbaren Boden fällt. Und Mut macht für mehr gelebte Inklusion.