Gerald Prießnitz ist im September einer kurzen, schweren Krankheit erlegen – im Alter von knapp 83 Jahren. Jahrzehntelang hatte er zum Kirchheimer Stadtbild gehört, das Gesicht meistens hinter einem Fotoapparat verborgen. Auf diese Art hat er Kirchheim nicht nur fotografiert, sondern auch dokumentiert. Zwar waren die Bilder meistens für den Tagesgebrauch des Teckboten gedacht. Aber bis heute greift die Redaktion gerne auf Archivbilder von Gerald Prießnitz zurück. Jetzt im August beispielsweise hat es sich als großer Glücksfall erwiesen, dass er 25 Jahre zuvor einen fahrenden Dampfzug fotografiert hatte. Erst 2013 hat er das aktive Fotografieren für den Teckboten aufgegeben, nach weit über 50 Jahren.
Er war immer zur rechten Zeit am rechten Ort: unaufgeregt, lieber auch unauffällig im Hintergrund, stets bescheiden, freundlich, hilfsbereit – und doch absolut kompetent und zuverlässig. Sein stetes Ziel: den richtigen Moment abpassen, um genau dann das richtige Foto zu schießen. Und doch hat er dieses Handwerk nie gelernt. Als Autodidakt war er bereits in jungen Jahren zur Fotografie gekommen und hat sich dabei stets weiterentwickelt.
„Entwickeln“ ist das treffende Wort für die Anfangsjahre: Da gab es Schwarz-Weiß-Filme, die in der Dunkelkammer entwickelt werden mussten. Gerald Prießnitz hatte seine eigene Dunkelkammer, bei sich zuhause im Keller. Die Abzüge hat er pünktlich in die Redaktion gebracht, wo sie noch zu rastern und für den Umbruch zu kleben waren. Das alles ist in heutiger Zeit kaum mehr vorstellbar, nachdem die Digitalfotografie wie auch der digitale Seitenumbruch längst selbstverständlich sind.
Die Digitalisierung war für ihn nie ein Problem, im Gegenteil: Er hat aktiv daran mitgewirkt. Da er hauptberuflich bei IBM tätig war, gab es kein IT-Problem, dem er sich nicht mit großem Eifer gewidmet hätte. Auch von diesem Fachwissen hat der Teckbote enorm profitiert. Und sein Interesse daran hat nie nachgelassen: Bis kurz vor seinem Tod hat er noch regelmäßig an irgendwelchen KI-Programmen herumgetüftelt.
Mit dem Fotografieren begonnen hat Gerald Prießnitz schon als Teenager, auch wenn der Auslöser dafür zunächst kurios anmuten mag: Als 16-Jähriger hatte er an einer Losbude auf dem Ziegelwasen einen Hauptpreis gewonnen und durfte sich entscheiden – zwischen einem riesengroßen Stoffbären und einem Fotoapparat. Die Wahl war schnell getroffen, und fortan waren Gerald Prießnitz und seine Kamera unzertrennlich.
Von Anfang an Bilder in Serie
Ein weiterer Zufall in dieser Geschichte: Familie Prießnitz aus Freiwaldau, verwandt mit dem Wasserheiler Vincenz Prießnitz, war nach dem Krieg im Haus des Teckboten-Verlegers Dr. Max Gottlieb in Kirchheim untergekommen – und der Verleger ermunterte den jungen Kamera-Besitzer kurzerhand dazu, doch auch für die Zeitung Fotos zu machen. Der erste Auftrag war gleich ergiebig: Gerald Prießnitz machte die Bilder zu einer Serie über Kirchheimer Straßennamen.
Später war er für den Teckboten viel auf Sportplätzen unterwegs. Aber auch die Lokalredaktion belieferte er regelmäßig mit Bildern. Er hat auch komplette Wochenend-Dienste als Fotograf übernommen. Bei gemeinsamen Fahrten zu Terminen war er allen ein vertrauter und geschätzter Gesprächspartner. Und andererseits: Man musste auch nicht allzu viele Worte wechseln, schon gar keine unnötigen. Auf Gerald Prießnitz war nämlich immer Verlass: Eine kurze Einführung ins Thema – und er lieferte nach Wunsch. Das wird auch weiterhin der Fall sein. Seine Archivbilder bleiben dem Teckboten als wertvoller Fundus erhalten.